Von der Kirche mit Gemeindehaus zur Kita
Achtung Baustelle – Kita im Wandel!
Seit 2015 ist in Monika Brenchers Berufsleben nichts so beständig wie der Wandel. Die Leiterin zweier Kindertagesstätten verbringt zurzeit einen Großteil ihres Berufslebens auf Baustellen oder in direkter Nachbarschaft dazu. Der Ausbau der einen Kita ist nun gerade abgeschlossen, nächstes Jahr soll es in der anderen losgehen. Ein anderes Provisorium ist dieses Jahr immerhin beendet worden: Zwei Jahre lang war Monika Brencher leitende Angestellte zweier Arbeitgeberinnen, seit September ist sie zu hundert Prozent Mitarbeiterin der Graf Recke Stiftung. Im Interview erzählt die Kita-Leiterin, warum sie sich noch mehr auf 2019 als auf 2018 freut.
Von Roelf Bleeker
In der Ecke des Dienstzimmers stapeln sich Stühle mit dem Charme eines Gemeindehauses der frühen 1980er. »Wir haben Sperrmüll angemeldet«, berichtet Monika Brencher. Die gestapelten Sitzgelegenheiten sind ein weiteres Stück Kirche, das an der August-Schmidt-Straße in Mülheim an der Ruhr verschwindet. Doch in die alten Kirchenräume ist neues – und sehr junges – Leben eingezogen: Seit 2015 hat sich dort die Kita Sonnenblume weiter ausgebreitet. Aus der zweigruppigen Kindertagesstätte ist nun eine mit fünf Gruppen im alten Gemeindehaus und der Kirche geworden.
Monika Brencher hat diese Entwicklung als Leiterin der Kita Sonnenblume begleitet. Bis 2015, als die Graf Recke Stiftung die Trägerschaft übernahm, war die Mülheimerin Mitarbeiterin der Vereinten Evangelischen Kirchgemeinde (VEK). Das blieb sie zur Hälfte auch noch zwei Jahre lang, denn Monika Brencher leitet noch eine weitere Kita, die am Muhrenkamp auf dem Kirchenhügel in der Altstadt. Im September 2017 wechselte aber auch diese Kita und damit die andere Hälfte der Monika Brencher in die Graf Recke Stiftung.
»Für mich stand ganz früh fest, dass ich Erzieherin werden wollte.«
Mit ihrer zwischenzeitlichen »Zweiteilung« konnte die 57-Jährige recht gut leben. »Das ging, weil beide Seiten sich einig waren und keiner mir reingepfuscht hat«, sagt sie. »Ich hatte meine festen Zeiten an den beiden Orten, die ich jetzt auch noch habe.« Keine der Trägerinnen habe ihr da reingeredet. Trotzdem: Dass sie seit dem 1. September ganz und gar Mitarbeiterin der Graf Recke Stiftung ist »fühlt sich gut an«, sagt Brencher. Monika Brencher strahlt die Gelassenheit einer erfahrenen Kita-Leiterin aus. Seit 31 Jahren ist sie in Leitungsverantwortung in verschiedenen Einrichtungen. Nach ihrer Ausbildung im Haus der kleinen Leute in Mülheim ging sie nach Essen-Karnap, wo sie mit 26 Jahren die Leitung übernahm. 15 Jahre lang führte sie die dreigruppige Evangelische Kindertagesstätte dort, wobei sie selbst noch in einer der Gruppen tätig war. Heute arbeitet sie längst als freigestellte Leitung.
»Ich möchte die Kita nicht missen, aber keine eigene Gruppe mehr nebenher haben«, sagt sie mit Überzeugung. »Ich empfinde das hier immer noch als den schönsten Beruf. Für mich stand ganz früh fest, dass ich Erzieherin werden wollte, und ich liebe den Beruf bis heute.« Nach Karnap ging es in einen anderen Essener Stadtteil: Überruhr. Elf Jahre lang leitete Brencher dort eine integrative Einrichtung des Diakoniewerks Essen.
Herzensthema: Inklusion
»Integrative Kitas gibt es ja nicht mehr«, erklärt Monika Brencher. Aber das Thema der Integration von Kindern mit Behinderung liegt heute wie damals am Herzen.
Im Muhrenkamp werden aktuell drei Kinder mit Beeinträchtigungen betreut, in der Sonnenblume eines. »Wir waren schon damals in der integrativen Kita inklusiv, so haben wir da gearbeitet«, sagt sie. Bis heute habe sie immer viel Wert darauf gelegt, Inklusion in ihren Einrichtungen zu leben. Vom Dienstzimmer der Kita Sonnenblume aus kann man ins großzügige Außengelände schauen. Am Fenster sausen an diesem eher tristen Novembertag Kinder in Höchstgeschwindigkeit auf Dreirädern vorbei. »Ich bin genau da, wo ich hinwill«, sagt Monika Brencher über ihren Traumberuf. So gerne sie »Leitung ist«, so sehr legt sie Wert auf den Kontakt in die Gruppen. »Manche sagen ja, als Leitung habe man keine Zeit mehr für die Kinder, aber das empfinde ich nicht so. Die Kinder kommen zu mir, bringen mir immer mal was mit oder zeigen mir was.«
Tanzpädagogin, STEP-Elterntrainerin und mehr
Dabei ruht sich Monika Brencher, die inzwischen seit fünf Jahren die beiden Kitas in ihrer Heimatstadt (»geboren und überhaupt alles in Mülheim, konfirmiert und geheiratet«) leitet, auf ihrer Position ganz offenbar nicht aus. Nebenbei hat sie sich permanent fort- und weitergebildet: Ausbildung zur Tanzpädagogin über zwei Jahre, ein Jahr Psychomotorik, Trainerin im Haus der kleinen Forscher, spiritueller systemischer Coach, Fortbildungen für Tagesmütter und Erzieher oder STEP-Elterntrainerin, zurzeit absolviert die Kita-Chefin eine Fortbildung zur Kneipp-Gesundheitspädagogin – Monika Brenchers Expertisen wären einen eigenen Artikel wert.
Sprachförderung im Mittelpunkt
Auf eines ihrer fachlichen »Steckenpferde « kommt sie ausführlicher zu sprechen, nämlich »unsere Sprache: Wie rede ich mit Kindern, wie mit meinen Kollegen, wie rede ich als erstes mit mir? Wie ist mein Sprachgebrauch und wie beeinflusse ich mich?« Kein Zufall, dass die Kita Sonnenblume auch »Sprachkita« ist. Dabei geht es um Bewusstsein für Sprache: »Wie oft sage ich, ich ›muss‹ noch dieses oder jenes erledigen statt ich ›werde‹?« Ebenso sei es beim Bilden ganzer Sätze: »Kann ich mal die Butter? « Die Teilnahme am Bundesprogramm »Sprachkita« ermöglicht unter anderem die Beschäftigung einer zusätzlichen Sprachförderkraft.
»Bei unserer Sprachheiltherapeutin geht es in erster Linie um alltagsintegrierte Sprachförderung«, erklärt Brencher. Dazu gehört auch die Beratung der Eltern. In der Kita Sonnenblume hat das Thema Sprache noch eine weitere wichtige Bedeutung, erklärt Monika Brencher: »Fast die Hälfte unserer Eltern haben einen Migrationshintergrund. Wir arbeiten deshalb viel mit Symbolen, wenn wir Plakate schreiben: eine Hand mit Geld, wenn etwas bezahlt werden muss, eine Brezel oder Grillwurst für ein Grillfest, oder Gummistiefel für eine Aufforderung, bitte Regenkleidung mitzubringen… «
Eine Kita im Wandel
Die Elternstruktur in der Sonnenblume habe sich in den vergangenen zwei Jahren stark verändert, sagt die Leiterin. »Durch die Aufstockung von zwei auf fünf Gruppen haben wir in zwei Jahren 60 zusätzliche Kinder aufgenommen«, gibt sie zu bedenken. Auch die Altersstruktur ist eine andere: »Früher hatten wir in beiden Kitas die Zwei- bis Sechsjährigen, jetzt kommen die ganz Kleinen dazu. Das ist ja ein anderes Arbeiten.« Damit ist auch das Team gewachsen: »Früher waren wir hier in der Sonnenblume – mit mir – zu viert, jetzt sind wir 20 Kräfte, allein in der Sonnenblume, 17 pädagogische, drei in der Küche. Man muss alles anders strukturieren, alles neu denken, wovon man früher gesagt hat: same procedure as every year. Früher hatten wir im Haus eine Kirche, jetzt müssen wir in einen anderen Stadtteil. So kommt alles auf den Prüfstand: jedes Fest, jede Feier, jeder Ablauf ist neu.«
Der Trägerwechsel habe viel verändert, die kleine überschaubare Sonnenblume war von vielen Eltern sehr geschätzt, andererseits wissen diese nun aber auch zu schätzen, dass es heute in der Sonnenblume etwa ein Mittagessen und 45-Stunden-Plätze gibt. Und während die Sonnenblume sich noch vom Ausbau erholt, ist für den Muhrenkamp schon der nächste geplant: Auch dort soll die Kita auf fünf Gruppen wachsen. Zurzeit sind es noch drei. An diesem Novembertag steht die Baugenehmigung noch aus.
In guter Nachbatschaft
Die guten Erfahrungen des Trägerwechsels in der Sonnenblume machen allen Beteiligten auch am Muhrenkamp Mut. Die Mitarbeiterinnen wurden ohnehin mit allen Rechten und Pflichten übernommen, der Tarif blieb gleich und mit der Graf Recke Stiftung als Trägerin haben beide Kitas sogar noch eine bessere personelle Ausstattung.
Der Kontakt zur früheren Trägerin, der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde (VEK), ist nach wie vor eng; nicht nur in deren heutiger Rolle als Vermieterin, sondern auch, weil die religionspädagogische Arbeit und andere Verbindungen im Kooperationsvertrag zwischen VEK und Graf Recke Stiftung ausdrücklich gewünscht und geregelt sind.
Die Pfarrer der VEK kommen regelmäßig in die Kitas, um die Arbeit zu begleiten und jahreszeitliche Feste zu feiern, und die Kitas sind weiterhin eng – und bewusst – in Nachbarschaft und Gemeinedeleben eingebunden. Darüber hinaus, so Brencher, seien die gewachsenen Verbindungen mit dem Trägerwechsel nicht abgerissen: »Wenn wir zum Beispiel eine Biertischgarnitur brauchen, leihen wir den Anhänger der VEK, oder wenn wir die tragbare Anlage mit Mikro benötigen, stellt die uns auch die Gemeinde zur Verfügung.«
Das Jahr 2018
Mit dem Ausbau des Muhrenkamps und den damit verbundenen Umbauten kommt nächstes Jahr noch einmal einiges auf Monika Brencher und ihr Team zu. Zum neuen Kindergartenjahr im August 2018 soll alles soweit sein. Vor diesem Hintergrund beantwortet die Mutter einer erwachsenen Tochter die Frage danach, ob sie sich mehr auf das kommende Jahr oder das darauffolgende freue, sehr eindeutig: »Ich freue mich mehr auf 2019 als auf 2018, wenn dann endlich mal wieder nur noch die normalen Leitungsaufgaben anstehen «, sagt sie, ohne dabei ihre Fröhlichkeit abzulegen. Und deshalb klingt es auch nicht böse, wenn Monika Brencher sagt: »Handwerker möchte ich hier dann allenfalls noch sehen, wenn zum Beispiel der Abfluss verstopft ist!«