Freiheit erleben mit Harry und Belle


Von Achim Graf

Der Mittwoch ist ein guter Tag für Xenia. Dann geht die 19-Jäh­rige in der Regel gegen Mittag zum Reitstall im Dorotheen­viertel Hilden, trifft dort auf Petra Zych – und vor allem trifft sie Belle: »Mein Lieblingspferd«, sagt sie und lächelt. »Belle ist manchmal zickig, das passt zu mir«, meint sie dann, während sie der Braunen liebevoll über den Kopf streichelt. Die beiden sind ein Team, seit zwei Jahren schon. »Wir stärken uns gegenseitig«, sagt Xenia.

Was Xenia in wenige Sätze packt, trifft ziemlich genau das, was Nina Terwesten und Petra Zych beabsichtigen: Die beiden sind Reit­pädagoginnen, arbeiten mit derzeit rund 25 Kindern und Jugendlichen aus den Intensivgruppen der Graf Recke Erziehung & Bildung in Hil­den. Es sei keine Reitschule, machen sie klar. Reiten zu lernen, das sei für die jungen Leute mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen und Handicaps, die nicht selten traumatisierende Erfahrungen gemacht haben, eher »ein Nebenprodukt«. Vielmehr geht es beim sogenannten heilpädagogischen Reiten darum, bei den Teilnehmenden positive Ver­änderungsprozesse auszulösen. Durch die Pferde, mit den Pferden.

Nina Terwesten brachte die Idee Anfang der 90er-Jahre nach Hilden, wo sie seit 1986 als Erzieherin in einer Mädchen­gruppe gearbeitet hatte. Einen Stall gab es damals schon – und Blitz und Donner. So nämlich hießen die beiden Ponys auf dem Gelände, »die viel Arbeit machten, für die Mädchen aber kaum einen Nutzen hat­ten«, sagt sie und lacht. Anfangs versuchte die begeisterte Reitsportlerin dann ledig­lich, die Tiere in die pädagogische Arbeit mit einzubinden, aber noch ohne richtiges Konzept. Das hat sie dann schnell geändert. »Ich habe gesehen, wie wertvoll das für die Jugendlichen sein kann.«

Und so gibt es seit 1992 ein kontinuier­liches Angebot auf dem Areal, nach einem ausgearbeiteten Konzept und unter pro­fessionellen Bedingungen. Petra Zych, die Nina Terwesten ab 1996 zunächst in deren Elternzeit vertreten hatte, ist Pferde­liebhaberin und verfügt ebenso über eine Zusatzausbildung wie ihre Kollegin. Seit 1999 verantworten die beiden Frauen das Angebot nun gemeinsam. Es sei »nicht selbstverständlich, dass eine Einrichtung Pferde hat«, sagt Zych. Ohne die regel­mäßige Unterstützung durch den Förder­verein Dorotheenheim sei dieses zusätz­liche Angebot kaum vorstellbar. »Die haben das Ganze hier mit aufgebaut.« Aber auch darüber hinaus würden fortlaufend Spen­den benötigt, betont sie. Denn es ist viel zu tun: Unterstützt werden die beiden Reit­pädagoginnen dabei von einer Stallhilfe – und von Bolero, Rosa, Belle und Harry.

Harry ist ein irischer Schecke und der beste Freund, den Leoni sich vorstellen kann. Leoni ist acht und noch klein, ihr Pferd fast doppelt so groß. Kein Problem: »Komm, Süßer«, sagt sie bestimmt, führt Harry am Halfter aus dem Stall und schubst erst einmal das neugierige Shetlandpony Bolero zu Seite. »Bolero ist wild, Harry ist ganz lieb«, erklärt Leoni ihre Wahl, während sie das Pferd vor dem Stall festbindet. Dann holt das Mädchen Trittleiter und Striegel und beginnt Harry zu putzen. Nina Terwesten beobachtet alles auf­merksam, mehr muss sie nicht tun. »Hey, du hast zum ersten Mal den Zauberknoten allei­ne geschafft«, lobt sie. Beim Hufeauskratzen arbeiten die beiden dann zusammen.

»SIE MERKEN, DASS SIE ETWAS BEWIRKEN KÖNNEN«

Selbstständigkeit und Teamwork, das sind zwei Aspekte, die die Reitpädagoginnen den jungen Leuten mithilfe der Pferde vermitteln wollen. »Sie haben Hilflosigkeit erlebt, oft Ohnmacht durch Gewalt. Hier merken sie, dass sie selbst etwas bewirken können«, erklärt Petra Zych. »Und das bei einem so großen Tier«, ergänzt Nina Terwesten. »Es bewegt sich, es bleibt stehen. Ich kann es wegschieben oder locken, wenn ich es möchte.« Für die Kinder und Jugendlichen sei es wichtig, die richtigen Signale zu sen­den. Das funktioniert oft nicht von Anfang an. »Sie üben das ein, experimentieren. Mit unserer Unterstützung«, sagt Terwesten.

Dass man mit Kraft nicht weit kommt, das merken insbesondere die Jugendlichen schnell. »Die eigenen Bedürfnisse sind wich­tig«, sagt Petra Zych. »Aber immer im Rah­men, die Grenzen des anderen zu respektieren

In dem Fall die des Pferdes.« Auch zu viel Zuneigung könne eine Form von Über­griffigkeit sein. Kommunikation ist daher stets ein Thema: Was ist in welcher Situa­tion angemessen? »Das Pferd spiegelt das«, erklärt Nina Terwesten. Das Gelernte soll sich durchaus ins Leben der Teilnehmenden übertragen. »Aber hier ist es einfacher, da es nonverbal abläuft. Das Pferd bewertet nicht, was gesagt wird oder nicht.«

Sich vom starken Pferderücken tragen zu lassen und trotzdem – im Wortsinn – die Zügel in der Hand zu halten, darum geht es. Letztendlich geht es um Freiheit.

Die beiden Reitpädagoginnen sind dabei die Mittler. »Die Nina ist immer dabei«, sagt Leoni. »Mit dem Helge«, vervollständigt sie. Helge, das ist der spanische Wasserhund von Nina Terwesten, der von den Kindern genau­so geliebt wird wie Stallkater Hellboy. Über die Pferde allerdings geht nichts. »Ich habe schon freihändig auf dem Harry gestanden«, erzählt Leoni. Das allerdings ist bereits hohe Schule. Für viele ist es schon ein großer Schritt, überhaupt aufs Pferd zu steigen. Das habe mit dem »Vertrauen in sich selbst« zu tun, erklärt Petra Zych. Für sie ist es faszi­nierend, zu erleben, was vor allem Kinder dabei entdecken. Und sei es das wuschelige Winterfell von Harry. »Da passieren so viele Kleinigkeiten«, schwärmt sie.

Verantwortung zu übernehmen, das ist zweifellos ein weiterer Aspekt, der beim heil­pädagogischen Reiten vermittelt wird. Wenn­gleich die beiden Expertinnen die Gesamt­verantwortung tragen, von der Versorgung der Tiere bis zum sogenannten Korrektur­reiten nach den Stunden, einbezogen sind die Kinder und Jugendlichen immer. Nicht nur das Striegeln gehört ganz selbstverständlich dazu, an den Wochenenden übernehmen sie mit ihren Betreuern aus den jeweiligen Grup­pen zudem die Fütterung.

Für Natalie Salz, Erzieherin in der Intensiv- Wohngruppe Blickwechsel, ist all das »auch eine Chance für die Mädchen«, wie sie sagt. An Xenia etwa, die sie seit mittlerweile zwei Jahren begleitet, stellt die Erzieherin positive Veränderungen fest, »nach jeder Stunde«. Die erkennt Xenia auch selbst: »Nach dem Reiten bin ich immer ent­spannt«, hat sie festgestellt. Im Alter von acht Jahren habe sie zum ersten Mal auf einem Pferd gesessen, erzählt sie. Jetzt wie­der mit dem Reiten angefangen zu haben, war für sie »die richtige Entscheidung«. Mit Belle traue sie sich so langsam sogar wieder ans Galoppieren heran.

Heilpädagogisches Reiten kann auch die Konzentration und Koordination fördern, die Frustrationstoleranz erhöhen und das Sozialverhalten schulen. Für Xenia ist aber etwas anderes der entscheidende Punkt: »Ich war schon immer gerne mit Tieren zusammen, die geben mir Kraft«, sagt sie. Warum das so ist, kann die 19-Jährige auch erklären: Tiere, sagt sie, »sind immer ehr­lich. Von Menschen kann man das nicht immer behaupten.«

Spenden Sie für unsere Therapiepferde!

»Ob für die jährliche Zahnpflege, Möhren oder einen neuen Sattel: Bolero, Belle, Harry und Rosa freuen sich über Ihre Unterstützung! Denn für die Versorgung unserer Therapiepferde benötigen wir fortlaufend Spenden. Stärken Sie dieses Zusatzangebot für Kinder und Jugendliche auf dem Weg der Heilung. Herzlichen Dank!«

Özlem Yılmazer, Leiterin Fundraising

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