Gewappnet für die Grippesaison
Interview zur Grippeschutzimpfung mit Betriebsärztin Dr. Monika Tillmann
Warum eine Teilnahme an der Schutzimpfung für alle sinnvoll ist, erläutert Betriebsärztin Dr. Monika Tillmann im Interview mit Achim Graf.
Frage: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem grippalen Infekt und einer Grippe?
Dr. Monika Tillmann: Ein grippaler Infekt, das ist die typische Erkältung mit Husten, Schnupfen, Heiserkeit, die in der Regel langsam beginnt und auch meist harmlos verläuft. Bei der Influenza, der saisonalen Grippe, handelt es sich dagegen um eine akute Entzündung der Atemwege mit dem Influenzavirus, deren Symptome fast schlagartig auftreten und die schwer verlaufen kann. Vor allem dann, wenn Menschen immungeschwächt sind oder bereits andere chronische Erkrankungen haben. Nach Erhebungen des Robert Koch-Instituts sind im vergangenen Winter nachweislich allein in Deutschland 1.665 Patienten durch Influenza-Viren gestorben.
Auf welchem Weg wird die Influenza übertragen?
Durch die Luft über Tröpfcheninfektion. Das kann überall passieren, wo Menschen sich treffen, in Bus und Bahn, im Supermarkt, im Café oder am Arbeitsplatz. Die Viren haben auch eine gewisse Langlebigkeit, deswegen sind auch Geländer, Halte- und Türgriffe ein Weg sich zu infizieren, insbesondere natürlich im Winter. Daher ist es dann besonders sinnvoll, sich häufig die Hände zu waschen. Das kann einen vor einer Erkältung ebenso schützen wie vor der Grippe.
Eine Grippeinfektion kann aber wirkungsvoller durch eine Schutzimpfung verhindert werden?
Eindeutig Ja. Der Impfstoff enthält ein Antigen, das gespritzt wird und wogegen der menschliche Körper Antikörper bildet. Das heißt, nach einer Impfung bin ich nach circa sieben Tagen geschützt.
Und wann ist der richtige Zeitpunkt für die Impfung?
Die Hauptzeit der Grippe ist immer in den Wintermonaten, die Hochsaison meist zwischen Januar und März. Der richtige Zeitpunkt für die Impfung ist daher Oktober oder November, auch wenn der aktuelle Impfstoff meist im September erscheint. Je später die Impfung, umso frischer ist meine Immunantwort. Man kann auch noch im Januar oder Februar impfen.
Kann man auf die Impfung verzichten, wenn man letzte Saison geimpft wurde oder eine Grippe hatte?
Ganz klar nein: In jedem Jahr stimmt eine Expertenkommission den Impfstoff ab auf die vier aktuell am meisten kursierenden und damit zu erwartenden Virenstämme. Diese können sich Jahr für Jahr ändern. Zudem: Je mehr Schutzimpfungen ich habe, desto größer ist auch meine Immunantwort. Das heißt nicht, dass ich nicht erkranken kann. Im Falle eines Falles nimmt die Krankheit aber einen weitaus leichteren Verlauf.
Für wen wird die Impfung gegen die saisonale Grippe empfohlen? Gibt es besonders gefährdete Mitarbeitende bei der Stiftung?
Die ständige Impfkommission empfiehlt bestimmten Personengruppen die Schutzimpfung: Immungeschwächte, Schwangere, chronisch Kranke und generell Menschen über Sechzig. Zudem Personen, die im Gesundheitswesen arbeiten oder beruflich Kontakt haben mit Kranken, Älteren oder Kindern. Das gilt ja auch für viele Mitarbeitende in der Graf Recke Stiftung. Nach neuesten Erkenntnissen ist es aber so, dass man die Grippeschutzimpfung jedem empfiehlt. Ich kann im Übrigen ja auch ansteckend sein, ein bis zwei Tage bevor die Symptome überhaupt auftreten – und trage die Viren nach Hause zum Kind oder zur Oma.
Gibt es auch Ausschlusskriterien? Kann man etwa bei einem leichten Infekt überhaupt gegen Grippe geimpft werden?
Wenn ich akut krank bin, hochdosiert Kortison nehme oder ein Antibiotikum, sollte ich nicht gerade zum Impfen gehen. Zudem, wenn eine Allergie gegen Impfstoffbestandteile wie beispielsweise Hühnereiweiß oder einen anderen durch den Hersteller ausgewiesenen Zusatz besteht. Schwangere sollten sich erst ab dem zweiten Trimenon impfen lassen, also nicht ganz am Anfang. Eine darüber hinausgehende regelrechte Kontraindikation gibt es eigentlich nicht.
Kann die Impfung tatsächlich grippeähnliche Symptome auslösen oder den Körper belasten?
Das ist sogar gewünscht, das wird auch im Aufklärungsgespräch benannt: Fünf bis sieben Tage nach der Impfung kann ein leichter grippaler Infekt auftreten. Da fühlen Sie sich abgeschlafft und müde. Das heißt, der Körper reagiert richtig, er hat zu tun. Diese leichte Einschränkung sollte es mir wert sein. Dann ist man im Gegenzug für die Grippeinfektion, wenn sie denn kommen sollte, gewappnet. Ohne Impfung dagegen liege ich im Zweifel zwei Wochen am Stück mit 40, 41 Grad Fieber im Bett.
Und welchen Vorteil habe ich durch die Impfung innerhalb der Stiftung?
Über das Projekt des betrieblichen Gesundheitsmanagements kommt der Arzt jetzt zu den Mitarbeitenden, die sich dadurch auch mögliche Wartezeiten im Praxissprechzimmer ersparen. Das geht ohne Anmeldung in den bekannten Untersuchungsräumen der Stiftung. Die Kosten werden übernommen und das Ganze läuft zudem noch in der Arbeitszeit.
Und was antworten Sie Menschen, die insgesamt kritisch gegenüber dem Impfen eingestellt sind?
Ich bin ein absoluter Impf-Verfechter und lasse mich deshalb selbst seit mehr als 20 Jahren regelmäßig gegen Grippe impfen. Impfungen sind eine Routine für das Immunsystem, sie schaden ihm nicht, das gilt für Impfungen gegen Röteln, Masern oder Mumps genauso. Ich finde, man hat auch eine gewisse Verantwortung gegenüber den Mitmenschen. Wenn man eine Krankheit durch eine Impfung abschwächen, verhindern oder gar ausrotten kann, sollte man das tun. Aktuell werden jährlich schätzungsweise zwei bis drei Millionen Todesfälle weltweit durch Impfungen verhindert. Das heißt: Impfstoffe retten fünf Leben pro Minute.