Psychische Erkrankungen werden auch heute noch tabuisiert und stigmatisiert. Dabei ist der Anteil derer, die davon betroffen sind, höher denn je – gerade unter jungen Menschen. Ein Plädoyer für mehr Offenheit, Interesse und Solidarität von Reimund Weidinger, Leiter der Graf Recke Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik.

Psychische wie seelische Erkrankungen sind vielfach leider noch ein Tabuthema und unterliegen häufig einem Stigma. Sowohl der Stigmatisierung durch andere als auch durch sich selbst. Es fällt immer noch schwer, eine psychische Erkrankung für sich selber anzuerkennen und diese auch behandeln zu lassen. Zudem sind psychische Krankheiten nicht auf den ersten Blick erkennbar und rufen oft großes Erstaunen hervor, wenn sie offen gemacht werden, weil es immer noch bestimmte Vorurteile und Bilder gibt, die wir mit psychisch erkrankten Menschen verbinden.

Kaum jemandem ist bewusst, dass schon seit Jahren rund ein Drittel der Bevölkerung eine oder mehrere klinisch bedeutsame psychische Störungen aufweisen, laut Deutschem Ärzteblatt schon 2013 genau »33,3 Prozent der Bevölkerung aufs Jahr«. Die gerade erschienene Studie der Deutschen Depressionshilfe spricht von 45 Prozent der Bundesbürger, die von Depression betroffen sind – direkt aufgrund eigener Erkrankung oder indirekt als Angehörige. Damit sind psychische Erkrankungen ganz nah in unserem eigenen Umfeld und in unserem Alltag. Insofern wirken sich psychische Erkrankungen immer mehr auch auf dadurch gestiegene Fehlzeiten am Arbeitsplatz aus. Eine Erkrankungszunahme ist insbesondere bei der jungen Bevölkerung zu verzeichnen.

Umso wichtiger ist es, diesen Menschen mit Offenheit und Interesse gegenüberzutreten. Wichtig ist ebenfalls, aufzuklären und die verschiedenen Facetten einer psychischen Erkrankung deutlich zu machen. Denn kaum jemand weiß, dass seelische Leiden nicht nur in unseren dienstlichen Zusammenhängen ganz nah bei uns sind, sondern auch in unserem privaten Umfeld. Weil Menschen mit psychischen Erkrankungen sich häufig verstecken und meinen, im Verborgenen bleiben zu müssen. 

Eine Erkrankungszunahme ist insbesondere bei der jungen Bevölkerung zu verzeichnen.

Reimund Weidinger

Und auch in beruflichen Zusammenhängen erleben wir, dass insbesondere psychisch erkrankte Menschen keine wirkliche Lobby in der Öffentlichkeit haben. Umso bedeutsamer ist die Begleitung dieser Menschen, um ihnen neue Perspektiven und Chancen zur sozialen Teilhabe sowie zur Teilhabe an Arbeit zu ermöglichen. So wichtig ist es aber auch, Kräfte zu aktivieren, die Zeichen setzen – auch über Symbole. Die grüne Schleife symbolisiert international das Bewusstsein für psychische Gesundheit. Grün steht für neues Leben, neues Wachstum und Neuanfänge und löst in Menschen ein Gefühl von Sicherheit aus.

Daher will ich Sie ermuntern: Tragen Sie bei für Sie geeigneten Gelegenheiten die grüne Schleife, um Angehörigen oder einfach den Menschen, denen Sie in unterschiedlichsten Zusammenhängen begegnen, an denen Sie auch nur vorbeigehen, zu zeigen, dass Sie um die Nöte, aber auch um die Stärken von psychisch erkrankten Menschen wissen und Ihnen ihre – und Ihre eigene – psychische Gesundheit am Herzen liegt.

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