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Weit über ihren offiziellen Ruhestand hinaus engagieren sich die ehemaligen Mitarbeiter Peter Dittert und Roland Stroemer in der Jugendhilfe der Graf Recke Stiftung. Der eine rockt unter anderem die jährliche Karnevalsparty, der andere verschafft Kindern und Jugendlichen Erlebnisse im Hochseilgarten. Laut Wohngruppenleiterin Kerstin Sittig haben sie „die Lücke geschlossen, die sie selbst hinterlassen haben“. Doch auch die beiden Ehrenamtlichen selbst profitieren von ihrem Einsatz. 

Jeder Mensch sei ersetzbar, heißt es gemeinhin. Doch Kerstin Sittig, Leiterin in der Wohngruppe Kompass auf dem Campus der Graf Recke Stiftung in Düsseldorf-Wittlaer, hat da so ihre Zweifel. Wenn sie auf Peter Dittert und Roland Stroemer schaut, die an diesem Tag im Wohnzimmer ihrer Gruppe zusammensitzen, ist sie vor allem „extrem dankbar“, wie sie sagt. Dankbar, dass beide weiterhin in der Jugendhilfe aktiv sind, jeder auf seine spezielle Weise. Selbstverständlich ist das nicht, beide sind über siebzig und offiziell seit Jahren im Ruhestand. Doch die Pädagogen bringen sich nach wie vor ehrenamtlich ein. Es ist ein Glück, für die Kinder und Jugendlichen zunächst, aber auch für die beiden rastlosen Rentner selbst. 

Nicht ans Weiterarbeiten gedacht

Roland Stroemer war bei seinen Anfängen vor genau 50 Jahren zunächst als Gruppenpädagoge tätig, im Anschluss machte er sich aber vor allem als Sport- und Freizeitpädagoge einen Namen, von Fußball bis Trampolinspringen. Insbesondere seine gruppenübergreifenden Projekte in der Erlebnispädagogik, als er mit Kindern und Jugendlichen die Natur erkundete, sind legendär. „Wie gehe ich mit der Natur um? Und wie gehe ich mit mir in der Natur um?“, das seien die Fragen gewesen, die er mit den jungen Menschen gemeinsam beantworten wollte, erzählt der 72-Jährige. Dies hatte positive Folgen auch für den Alltag. „Es geht darum, das eigene Leben neu zu betrachten und seine Erfahrungen auch ans Umfeld weiterzugeben“, erklärt der ausgebildete Heilpädagoge. Dass dies gefruchtet hat, weiß er. Bis heute steht er mit vielen seiner Ehemaligen noch in Kontakt.

Spuren hat zweifellos auch Peter Dittert in Wittlaer hinterlassen, nachdem er 1973 bei der Stiftung anfing, sich berufsbegleitend zum Erzieher und später zum Theaterpädagogen ausbilden ließ – und zunächst bis zu deren Auflösung gemeinsam mit seiner Frau eine Familiengruppe leitete. In Erinnerung jedoch blieben insbesondere seine nachfolgenden, gruppenübergreifenden Angebote im theaterpädagogischen Bereich. „Ich kannte alle Häuser, hatte alle Freiheiten – und habe sie auch genutzt“, erinnert sich der 73-Jährige und lacht. So habe er zum Beispiel auch Einzelangebote machen können, unter der Wohngruppe Kompass hatte er seine Räume. Ditterts große Nummer allerdings war stets für alle, weit über den Campus hinaus: die Karnevalsparty, die ohne ihn als Moderator eigentlich gar nicht denkbar war, und doch irgendwann ohne den geborenen Entertainer auskommen musste.

Denn mit 61-Jahren war für ihn Schluss, er ging in den Vorruhestand. Keinen Gedanken verschwendete er daran, dass er weiterarbeiten könnte. „Ich wurde öfter angefragt und habe immer Nein gesagt, ich wollte keine Verantwortung mehr tragen“, erinnert sich Peter Dittert. Er wollte sich um sein Familienleben kümmern, endlich was am Haus machen, solche Dinge. Irgendwann aber begann der Ruheständler sich für den Förderverein des Seniorenzentrums Walter-Kobold-Haus der Graf Recke Stiftung zu engagieren. „Und da habe ich gemerkt, dass es Freude macht, sich für andere einzusetzen. Ganz freiwillig, ohne Verpflichtung. Das ist der Spaßfaktor.“

Ehrenamtler statt Honorarkraft

Das hat auch Roland Stroemer für sich erlebt. Er hatte es im Gegensatz zum Kollegen nach seinem Ruhestand vor zwölf Jahren „nur ein halbes Jahr geschafft, mich zu distanzieren“, wie er mit einem Schmunzeln gesteht. „Der Gedanke, wieder Verantwortung zu tragen, war stärker, aber verbunden mit meinen eigenen Interessen.“ Und so begann Stroemer zunächst auf Honorarbasis mit neuen Angeboten für Kinder und Jugendliche, ob im Hochseilgarten auf dem Gelände oder in der Turnhalle. Allerdings stand der Pädagoge „kurz davor, wieder zu sehr eingebunden zu sein, das wollte ich nicht. Ich bestimme den Zeitfaktor.“ Und so ließ er das mit der Honorarstelle sein, arbeitet seitdem rein ehrenamtlich. Bereut hat er es nicht.

Zwei bis drei Mal im Monat bereitet Roland Stroemer jetzt gemeinsam mit ausgebildeten Trainern aus den Wohngruppen jeweils rund 20 Kindern und Jugendlichen Erlebnisse im Hochseilgarten, hinzu kommen regelmäßige Bewegungsangebote. Auch bei den Konfirmandenfahrten ist Stroemer an der Seite von Stiftungspfarrer Dietmar Redeker mit dabei. „Mich treibt der Kontakt mit völlig unterschiedlichen Menschen an, da beziehe ich die Pädagogen mit ein“, erklärt er sein Engagement. In jeder Einheit lerne er dazu, wenn Kinder ihm aus ihrer Welt berichten. „In diesem Sinne handle ich egoistisch.“ Er lacht.

Kollege Peter Dittert kann das gut verstehen. Nach seinen positiven Erfahrungen in der Seniorenarbeit hatte er vor rund fünf Jahren einer erneuten Nachfrage durch Kerstin Sittig nicht widerstehen können: Ob er sich nicht wie früher der Karnevalsparty annehmen könne? Und ob: Seitdem ist er wieder für bis zu 80 Kinder Moderator und Spielleiter, motiviert und begeistert. Jedes Jahr mit anderen engagierten Leuten, die ihm den Rahmen bereiten, ein solches Fest zu feiern, bereite ihm einfach Freude, sagt er. „Dann gehen die Kinder um 20 Uhr nach Hause und sind glücklich und zufrieden. Und dann bin ich das auch.“

Dann gehen die Kinder um 20 Uhr nach Hause und sind glücklich und zufrieden. Und dann bin ich das auch.

Peter Dittert

Sie ergänzen sich perfekt

Peter Dittert war immer schon der kreative Kopf, hat unter anderem die 25 Quadratmeter große Modelleisenbahn im Walter-Kobold-Haus mit vorangetrieben und aufgebaut. Roland Stroemer hingegen schafft gerne Strukturen, das noch immer jährlich stattfindende Sommerfest etwa geht auf ihn zurück. In diesem Sinne ergänzen sie sich perfekt. Kompass-Leiterin Kerstin Sittig vermisst beide in der täglichen Arbeit, wie sie sagt. Umso schöner, dass sie sich auch im Ruhestand weiter ehrenamtlich einbringen. „Wie Peter mit immer neuen Ideen die Kinder bei Laune hält, und sei es mit einem Besenstiel beim Limbotanzen, das kann kein anderer“, schwärmt sie. „Und Roland hat die Gabe, jedem Kind das Gefühl zu geben, ein wichtiger Teil des Teams zu sein. Die haben früher ihre Tore auch für ihn geschossen.“

In diesem Sinne ist Kerstin Sittig überzeugt, dass keiner von ihnen wirklich ersetzbar wäre. „Sie haben die Lücke geschlossen, die sie selbst hinterlassen haben“, sagt sie. An ein Ausbauen ihres Engagements denken beide aber nicht, zumal Roland Stroemer sich zudem beim Johanniter-Stift in seiner Heimatstadt Meerbusch mit Gesprächs- und Spielkreisen einbringt, Peter Dittert hingegen ehrenamtlich das Archiv der Jugendhilfe führt und jedes Jahr den Stiftungs-Nikolaus gibt. „Im Dezember bin ich wenig zu Hause“, sagt er.

Zeit für Familie, Freundschaften, Reisen

Und doch ist es ihnen eben wichtig, im Ruhestand auch Zeit für sich zu haben, für Familie, Freundschaften, Reisen. Roland Stroemer hält die derzeitige Mischung für ideal. Sein Engagement im Johanniter-Stift sei eine wunderbare Ergänzung zu der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. „Beide Gruppen treiben mich an, mich körperlich fit zu halten“, meint er. „Das stimmt“, bestätigt Peter Dittert mit einem Grinsen. „Ich habe gar keine Zeit für Krankheiten.“ Apropos Zeit: Beim diesjährigen Sommerfest werden beide ausnahmsweise Mal nicht dabei sein, aus privaten Gründen.

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