Im Einsatz für Kinder: Ein Engagement, das Früchte trägt
Nach 32 Jahren im Dienst der Graf Recke Stiftung ist Heide Butz auch nach ihrem offiziellen Ruhestand weiter für Kinder mit Förderbedarf im Einsatz, mittlerweile im Ehrenamt. Das Fortkommen ihrer Schützlinge war für die Sonderpädagogin stets ihr Antrieb. Die Früchte ihrer Arbeit kann die 73-Jährige symbolisch sogar im eigenen Garten betrachten.
Der Garten von Heide Butz mit seinen Blumen, Sträuchern und Hecken ist ein Paradies für Vögel und Bienen. Er ist zugleich ein Paradies für die Besitzerin selbst. Hier, im Westen des Ratinger Stadtteils Lintorf, verbringt sie so manche freie Minute. Diese allerdings halten sich bei der 73-Jährigen in Grenzen. Ihr Beruf, ihre Berufung, wie sie es nennt, lässt sie bis heute nicht ganz los. Seit 2013 ist die Sonderpädagogin nach 32 Jahren Tätigkeit bei der Graf Recke Stiftung offiziell im Ruhestand, doch noch immer kümmert sie sich regelmäßig um Kinder mit Förderbedarf, mittlerweile ehrenamtlich.

»Es ist das, was ich kann«, erklärt Heide Butz ihr Engagement so knapp wie überzeugt. Ganz uneigennützig sei dieses ohnehin nicht, gesteht sie dann lächelnd. »Ich lebe allein, was soll ich den ganzen Tag machen?«, fragt sie – und gibt sich die Antwort gleich selbst. Dass sie mit ihrer Fachkenntnis all denen helfen kann, die ihr am Herzen liegen, hat sie einst zu ihrem Beruf gebracht: Sie habe die Kinder, nicht selten aus schwierigen Verhältnissen, über die vielen Jahre »unterrichtet, gefördert und sie einfach alle immer gern gehabt«, erläutert sie. Es gilt für sie bis heute.
Dabei war der Weg zur Sonderpädagogin für die gebürtige Hildenerin keineswegs vorgezeichnet. Lediglich der Wunsch, mit Kindern zu arbeiten, war von Anfang an da. Heidemarie Butz, die von jeher nur Heide genannt wird, stammt aus einer großen Familie. Da habe sie früh Verantwortung für die jüngeren Geschwister übernehmen müssen, erzählt sie. »Ich bin dadurch geprägt worden.« Und so wurde sie zunächst Erzieherin, hat mit 19 Jahren ihre Ausbildung in Eitorf an der Sieg abgeschlossen und gleich im Anschluss einen Kindergarten in Brauweiler mit aufgebaut. Sie habe sich dort sehr wohl gefühlt, sagt sie. »Aber ich war auch unterfordert.«
Die Kinder von der Straße geholt
Und so führte sie ihr Weg bereits ein Jahr später an die neu gegründete Fachhochschule in Köln-Deutz, wo sie ab 1971 Sozialpädagogik studierte. Bis zu ihrem Abschluss habe sie nebenbei in der Drogenhilfe gearbeitet und ehrenamtlich bei der sogenannten »Offenen Tür« in Brauweiler. Das war der erste Kontakt von Heide Butz zu ihrer späteren Klientel: Kinder aus Großfamilien, die nicht selten mit Schulschwierigkeiten zu kämpfen hatten. »Wir machten Lern- und Freizeitangebote und holten die jungen Leute damit von der Straße. Es war ja damals nichts los in so einer kleinen Stadt.«
Und obwohl Heide Butz also stets gut beschäftigt war, hat sie ihr Studentenleben »sehr genossen«, wie sie mit einem Schmunzeln gesteht. Das galt ebenso für die Zeit des nachfolgenden Studiums der Sonderpädagogik, ebenfalls in Köln. Gearbeitet habe sie aber immer, bis zur Prüfungsphase 1980. Ihre Examensarbeit schrieb sie schließlich über »Freizeit-Verhalten und -Gestaltung lernbehinderter Jugendlicher«, wie man das damals noch nannte. Mit dieser Expertise und großem Ehrgeiz leitete sie im Anschluss zunächst die »Offene Tür« und arbeitete später in einer Schule für Kinder mit geistiger Behinderung. Bis, ja bis sie 1985 eine Stellenanzeige entdeckte: Die Graf Recke Stiftung suchte für ein neues Schulangebot genau sie, das habe sie so empfunden, sagt sie. Dort sah man das offenbar genauso.
Und so gehörte Heide Butz zum Gründungsteam der sogenannten »Schuletage« in Ratingen, einer Dependance der heutigen Schulen für »Emotionale und soziale Entwicklung« der Stiftung in Düsseldorf- Wittlaer. Dort war die Sonderpädagogin zwischendurch ebenfalls fünf Jahre lang tätig, ihr Herz aber schlug vor allem für die Schuletage. »Schule für Erziehungshilfe«, hieß diese am Anfang noch, erinnert sich die 73-Jährige. Worum es allerdings von Anfang an ging: Bis zu 30 Kinder, die in der Regelschule nicht zurechtkamen, in einer besonderen Lernatmosphäre bis zur sechsten Klasse zu betreuen und zu fördern. Danach, erklärt Heide Butz, sei der Wechsel an die Schule I in Wittlaer vorgesehen – oder an die Regelschule. »Das ist immer unser Ziel«, macht sie deutlich. Zeitweilig sei das bei 90 Prozent der Schüler tatsächlich auch gelungen. »Manche haben später sogar Abitur gemacht.«
Manche Kinder haben später sogar Abitur gemacht.
»Da geht es auch um kulturelle Unterschiede«
Dass sie an solchen Erfolgen ihren Anteil hatte, erfülle sie »mit großer Freude«, sagt Heide Butz. Stolz hingegen sei das falsche Wort. »Man ist ein Rädchen von vielen: Eltern, Tagesstätte, Familienbetreuung, Schule – das greift in der Schuletage alles ineinander«. Das sei das Besondere an dieser Einrichtung. »Da waren stets alle eng eingebunden und mussten miteinander arbeiten.« Für sie schlicht ein Erfolg versprechendes Prinzip – und damit jederzeit persönlich erfüllend.
Und so hatte Heide Butz vor sieben Jahren ohne Zögern darum gebeten, auch im Ruhestand in irgendeiner Form weiter in der Förderung tätig zu bleiben. In der Schulleitung war man von dieser Idee gleich angetan, und so war die Sonderpädagogin mit reduzierter Stundenzahl bis 2018 weiter als Lehrerin im Einsatz. Seit zwei Jahren ist Butz nun ehrenamtlich in der Inklusion tätig, an der Erich-Kästner-Grundschule in Ratingen, einer Kooperationsschule der Graf Recke Stiftung. Dreimal in der Woche für drei Stunden ist sie dort eine zusätzliche Hilfe, die auf keinem Stellenplan auftaucht, wie sie sagt. »Zumindest war ich das. Doch dann kam Corona und seit März fällt das alles weg.«
Heide Butz bedauert die Zwangspause sehr – und möchte nach den Herbstferien wieder einsteigen, wenn sich die Lage hoffentlich normalisiert habe. »Ich genieße die Arbeit, so ganz ohne Dokumentationspflichten und ohne Konferenzen«, meint sie. Der Austausch mit den anderen Lehrkräften bleibe nach wie vor wichtig, sicherlich. Doch mit ihrem Status könne sie Kinder nun auch mal herausnehmen und einzeln betreuen, bevor bei diesen Schulunlust entstehe. Gerade an einer Schule in einem sozialen Brennpunkt sei das wichtig. »Wir haben viele Kinder mit speziellem Förderbedarf, da geht es auch um kulturelle Unterschiede oder Sprachschwierigkeiten.«
Angestrengt habe sie diese Art der Arbeit nie. »Friseurin zu sein, wäre für mich eine größere Herausforderung«, meint sie lachend. Sie möge nicht nur die Kinder, sagt Heide Butz dann mit Nachdruck, sondern »auch ihre Probleme«. Hinter der überraschenden Aussage verbirgt sich zugleich ihr Antrieb: Kindern ganz früh rauszuhelfen aus schwierigen Lebenssituationen. Dafür sei es wichtig, zu verstehen, warum Kinder sind, wie sie sind. »Um dann gemeinsam nach Lösungen zu suchen.« Das begeistert sie nach wie vor.
Bis Heide Butz sich wieder in dieser Form einbringen kann, bleibt ihr nun immerhin mehr Zeit für ein weiteres ehrenamtliches Engagement beim Besuchsdienst für Jubilare der evangelischen Kirchengemeinde Lintorf-Angermund – und für ihre größte Leidenschaft: das Lesen. Biografien und Historisches stehen bei ihr ganz oben auf der Liste. »Es gibt noch so viel, was ich nicht weiß«, meint sie. Und wenn sie es sich dann mit einem guten Buch auf ihrer Terrasse gemütlich macht, fällt ihr Blick zuweilen auf einen Apfelbaum genau in der Mitte ihres Paradiesgartens. »Den haben mir meine Schüler vor sieben Jahren zum Abschied geschenkt«, erzählt sie mit einem Strahlen. Welch Symbolik: Der Baum der Schüler ist nach sieben Jahren noch recht klein, doch er trägt bereits jede Menge Früchte.