Ein Stück Normalität

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Als Leiterin des Sozialtherapeutischen Dienstes hat Julia Schneider Senioren begleitet, die ohne jedes Symptom mit dem Coronavirus infiziert waren, und selbst eine schwere Infektion durchgemacht. „Corona ist unberechenbar“, sagt Julia Schneider – und hofft auf die Impfungen.

Atemnot und totale Erschöpfung: Wenn Julia Schneider über Corona spricht, dann ist das für sie nicht nur graue Theorie. Bei den ersten Reihentests in der Graf Recke Stiftung im im Seniorenzentrum Zum Königshof in Düsseldorf-Unterrath war sie Ende Mai positiv auf das Virus getestet worden – zu ihrer eigenen Überraschung: „Ich wurde am Mittwoch getestet, am Donnerstag bekam ich das Ergebnis – da war noch nichts zu spüren“, berichtet sie. Am darauffolgenden Dienstag aber sei es rapide bergab gegangen und es seien massive Symptome aufgetreten. Für die Leiterin des Sozialtherapeutischen Dienstes des Unterrather Seniorenzentrums war Corona alles andere als eine leichte Erkältung, zumal sie unter Asthma leidet.

Julia Schneider weiß also aus eigener Erfahrung, aber auch aus ihrer Arbeit im Seniorenzentrum Zum Königshof, wovon sie spricht: „Corona ist so unberechenbar! Es gibt 80-Jährige, die haben keine Symptome, und 18-Jährige denen es sehr schlecht geht.“ Im „Köhof“, dem ambulanten Pflegedienst recke:mobil und im Quartiershaus Am Röttchen wurden im Mai die ersten Reihentests in der Graf Recke Stiftung durchgeführt. Ergebnis: Von 250 Personen in Zusammenarbeit mit dem Düsseldorfer Gesundheitsamt getesteten Personen waren acht Mitarbeitende und fünf Bewohner positiv. Das damals überraschende: Sie alle zeigten keinerlei Symptome – viele auch im weiteren Verlauf der Infektion nicht.

Gute und schlechte Tage

Anders Julia Schneider: „Ich habe schwer Luft bekommen, kam keine Treppe mehr hoch, ich war so müde und erschöpft.“ Doch einfach zwei Wochen ins Bett legen war für die 41-Jährige keine Option: Ihre damals dreijährige Tochter konnte sie schlecht sich selbst überlassen und auch Julia Schneiders Mann war positiv getestet worden – allerdings ohne Symptome. Tochter Anna überstand die Zeit ganz ohne Infektion.

Zwei Wochen später wurde Julia Schneider negativ getestet. Nach ihrer Rückkehr in den Dienst schickte sie Marek Leczycki, Einrichtungsleiter und Pandemiekoordinator in Personalunion, allerdings schnurstracks zurück. „Ich war schon beim Sprechen extrem kurzatmig“, erinnert sich Schneider. Sie arbeitete zunächst zwei Wochen, so gut es ging, von zu Hause aus, bevor sie ins Seniorenzentrum zurückkehrte. Außerdem beantragte sie eine Mutter-Kind-Kur, die sie binnen acht Wochen antreten konnte. „Diese drei Wochen an der Nordsee haben sehr gut getan“, sagt Julia Schneider. Ganz überstanden habe sie Corona aber bis heute nicht: „Es gibt immer noch gute und schlechte Tage.“

Die Lage im Seniorenzentrum Zum Königshof bewertet Julia Schneider aktuell als „gut: Wir haben uns gut eingegroovt“, sagt sie. „Wir haben versucht, den Alltag unter angepassten Bedingungen weiterzuführen.“ Komplett ausgefallen sei im vergangenen Jahr nur das Weihnachtskonzert, andere Veranstaltungen konnten ohne externe Gäste und mit Abstand durchgeführt werden. „Wir hatten ja einen Traumsommer und einen schönen Herbst“, erinnert sie sich. „Da haben wir vieles draußen machen können.“ Ein Highlight waren die Hofkonzerte, die im „Köhof“ und anderen Einrichtungen der Graf Recke Wohnen & Pflege stattfinden konnten.

Wir haben versucht, den Alltag unter angepassten Bedingungen fortzuführen.

Julia Schneider

Eine große Belastung war natürlich das komplette Besuchsverbot für die Senioreneinrichtungen im ersten Lockdown im Frühjahr. „Wir haben damals mit Videotelefonie für unsere Bewohner den Kontakt zu den Angehörigen aufrechterhalten, bevor wir dann zum Muttertag schon wieder erste Fenster- und Pavillonbesuche machen und kurz danach auch wieder die Türen öffnen durften“, berichtete die Leiterin des Sozialtherapeutischen Dienstes. Komplette Besuchsverbote sind in der Folge nicht mehr verhängt worden, die Besuche finden aber aktuell wieder unter sehr strengen Auflagen statt.

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Eine Rückkehr zu Vor-Coronazeiten ist noch nicht in Sicht, aber auch in Unterrath setzen nun fast alle ihre Hoffnung in die Impfungen. Ende Januar sind die Unterrather Einrichtungen an der Reihe. „Wir sammeln gerade fleißig von allen Bewohnern und Mitarbeitenden die Einwilligungserklärungen“, erzählt Schneider. Heute sei der Kühlschrank geliefert worden für den Impfstoff. „Sonst kriegen wir den ja gar nicht!“ Von fast allen Bewohner und den meisten Mitarbeitenden lägen schon die Zustimmungen vor. „Die, die jetzt noch nicht dabei sind, sind nicht unbedingt strikt dagegen“, erklärt sie, sondern „einfach noch unsicher bezüglich der Langzeitwirkungen“. Es gebe auch „heftige Diskussionen in den Teams. Es steht ja jedem frei, ob er oder sie sich impfen lassen will, aber viele Kolleginnen und Kollegen verstehen das nicht, wenn man sich nicht impfen lässt.“ Kürzlich habe sie noch mit einer jungen FSJlerin diskutiert, erzählt Schneider. „Die hat im Internet Dinge gelesen, die sie verunsichert haben.“ Solchen Sorgen könne man nur mit Aufklärung begegnen, meint Julia Schneider. „Aber die meisten freuen sich wirklich auf die Impfungen!“ Auch bei vielen Bewohnern „ist die Begeisterung groß, dass die Impfung kommt. Sie hoffen auf ein Stückchen Normalität und dass wieder mehr Nähe möglich wird.“

Bemerkenswert findet Julia Schneider, dass in ihrem Team vor allem diejenige, die im Mai positiv waren, sofort den Einwilligungsbogen ausgefüllt haben. Dass die Infektion bei ihr nicht zu einer Immunisierung geführt hat, hat Julia Schneider schriftlich: „Zwei meiner damals ebenfalls erkrankten Kolleginnen und ich haben danach den Antikörpertest gemacht – wir alle haben keine!“

Einfach mal wieder ausgehen...

Nun hofft Julia Schneider auf die Impfungen und „auf einen guten Sommer“. Dass es bis Ende März „weiterhin mal mehr, mal weniger Einschränkungen“ geben werde, hält sie für realistisch, aber die Hoffnung sei da, „dass dann auch so viele geimpft sind, dass wir ein Stück zurück zu unserem alten Alltag kommen“. Das hofft sie für die Seniorinnen und Senioren wie auch die Mitarbeitenden. „Viele sehnen sich nach einem Urlaub, den sie nicht nur zuhause verbringen, sondern an der Nordsee, in den Bergen oder in Spanien!“ Und natürlich hofft sie auch für sich selbst auf ein Ende der Beschränkungen. „Einfach mal wieder ausgehen zu können, das wäre schon toll!“

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