Urlaub in Coronazeiten: „Es geht um Menschenleben“

|

Sommerzeit: Urlaubszeit! Auch in Coronazeiten. Allerdings unter sehr speziellen Bedingungen. Denn wer aus einem Corona-Risikogebiet zurück in die Bundesrepublik Deutschland möchte, muss zuhause in der Regel zunächst in eine zweiwöchige Quarantäne. Was aber, wenn der Urlaub schon lange gebucht war? Was, wenn familiäre Beziehungen der Grund für die Reise ist? So wie bei Indira Rychwalski, die schweren Herzens, aber mit großer Überzeugung eine Familienfeier in Bosnien und Herzegowina absagte.

Nein, leicht habe sie es sich nicht gemacht, sagt Indira Rychwalski. Die Leiterin der Tagespflege im Quartiershaus Am Röttchen in Düsseldorf-Unterrath hat mit ihrer Familie "hin- und herüberlegt und im Familienchat diskutiert". Als dann aber das Robert Koch-Institut Bosnien und Herzegowina als Risikogebiet auswies, fiel die Entscheidung bei Indira Rychwalski und ihrem Mann ganz schnell: "Die Vernunft muss hier über allem stehen. Es geht um Menschenleben!"

Entsprechend der Vorgaben des Robert Koch-Instituts gilt in der Graf Recke Stiftung: Rückkehrer aus Risikogebieten müssen nach ihrer Rückkehr in der Regel in eine zweiwöchige Quarantäne, bevor sie wieder in den Dienst zurückkehren. Klar sei deshalb auch, so Markus Eisele, Theologischer Vorstand: "Wir erwarten, dass Mitarbeitende nicht bewusst in Risikogebiete reisen."

Für Indira Rychwalski eine Selbstverständlichkeit. Die 57-Jährige nennt eine ganze Reihe von guten Gründen für ihre Entscheidung: "Ich schütze meine Familie dort und auch hier. Es geht nicht allein darum, dass ich mich infizieren könnte, sondern dass ich selbst zum Beispiel meinen 80-jährigen Vater infizieren könnte und nicht weiß, wie er dann in Bosnien versorgt werden kann. Und außerdem würde ich dann ja nach meiner Rückkehr zwei Wochen bei der Arbeit fehlen."

„Und dann kam Corona…“

So nüchtern diese Analyse, so emotional ihre Folgen. Natürlich sei es ihr sehr schwer gefallen, abzusagen. "Die Geburtstagsfeier sollte eine Überraschung für meine Großcousine sein, die 70 wird und für uns alle ein großes Vorbild in unserem Leben ist. Und dann kam Corona…" Als auch noch die Infektionszahlen in Bosnien und Herzegowina sprunghaft anstiegen, gab es für Indira Rychwalski keine Zweifel mehr an ihrer Absage. "Wir müssen diese Zeit irgendwie überstehen. Niemand von uns hat so etwas je mitgemacht, aber wenn wir aus dieser Krise herauskommen, dann gibt es ein Leben nach Corona – und Geburtstag ist jedes Jahr!" Auch die diesjährige Reise nach Kroatien, die Indira Rychwalski mit einer Freundin seit zehn Jahren regelmäßig gemacht hat, fällt dieses Jahr aus. "Wir haben die Entscheidung lange herausgezögert, aber jetzt abgesagt." Ihren Urlaub nimmt sie trotzdem: "Zuhause habe ich alles, da vermisse ich nichts."

Für Indira Rychwalski ist dieser verantwortungsbewusste Umgang mit Reisezielen auch eine Frage der Kollegialität: "Als Leitungskraft bin ich auch Vorbild. Und ich weise meine Mitarbeitenden selbst immer wieder darauf hin, was es bedeutet, wenn sie sich einem Infektionsrisiko aussetzen. Meine Mitarbeitenden zeigen da großes Verständnis." Petra Skodzig, Finanzvorstand der Graf Recke Stiftung, setzt auf gute Absprachen in den Teams:

"Selbstverständlich können nicht alle Mitarbeitenden ihre Urlaubszeiten bis zu einem Tag X aufschieben, an dem Reisen ins ursprüngliche Reiseziel wieder möglich sind, aber alle sind aufgerufen, gemeinsam gute Lösungen zu finden."

Erwartet die Leiterin der Tagespflege von Pflegekräften ein besonderes Bewusstsein für die Problematik? "Eigentlich gilt der Anspruch für alle gleich, aber ja, für Pflegekräfte vielleicht noch einen Tick mehr, weil wir aus dem pflegerischen Blickwinkel ein besonderes Verantwortungsbewusstsein haben sollten." Im Umgang mit Viren und Hygieneregeln seien Pflegekräfte ja nicht erst seit Corona geschult und gerade im Kontakt mit älteren Menschen als Risikogruppen sollte aus ihrer Sicht das Verständnis besonders groß sein. "Das ist sicher nicht vergleichbar mit jemandem, der in einem Konzern allein im Büro sitzt und wenig Kontakte hat."

Ganz persönlich hat Indira Rychwalskis berufliche Fachlichkeit immerhin auch einen Vorteil: Entscheidungen wie die Absage der Familienfeier in Bosnien und Herzegowina trifft sie zwar in Absprache mit ihrem Mann, aber: "Er ist aus einer anderen Branche und verlässt sich deshalb bei sowas ganz auf mich!"

recke:newsletter

Was wir bewegen. Was uns bewegt: News und Storys aus der Graf Recke Stiftung.

Jetzt abonnieren