Mido im Märchenland

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Mido Kotaini kam als 14-Jähriger ohne seine Eltern aus Syrien nach Deutschland. Am Heiligabend 2016 wurde er durch die Graf Recke Stiftung in Obhut genommen und durch eine anfangs sehr schwierige Zeit begleitet. Heute ist er ein Filmstar. Aber die Menschen in der Graf Recke Stiftung hat er nicht vergessen und sich auf ganz besondere Weise bei ihnen bedankt.

Chantal im Märchenland – so heißt der Kinoerfolg, in dem der junge Schauspieler Mido Kotaini die Rolle des Aladin spielt. Doch in dieser Geschichte geht es um "Mido im Märchenland". Denn der Weg vom unbegleiteten minderjährigen Flüchtling zum Kinostar erscheint tatsächlich märchenhaft.

2016 kam der damals 14-Jährige ohne seine Eltern aus Syrien nach Deutschland. Am Heiligabend wurde er durch die Graf Recke Stiftung in Obhut genommen und durch eine schwierige Zeit begleitet. Jetzt ist er als Aladin Teil eines Mega-Kinoerfolgs mit Schauspielern wie Gizem Emre, Max von der Groeben, Nora Tschirner, Frederick Lau, Alexandra Maria Lara oder Elyas M'Barek. Da könnte man schon mal abheben. Aber nicht Mido Kotaini: Der heute 22-Jährige hat nicht vergessen, wer ihn damals durch die schwere Zeit in einem fremden Land begleitet hat. Deshalb hat er mit der Produktionsfirma Constantin Film eine Sondervorstellung im UFA-Palast in Düsseldorf organisiert und dazu seine ehemaligen Begleiterinnen und Begleiter sowie fast 300 Jugendliche aus den Wohngruppen der Graf Recke Stiftung eingeladen.

Für sie, aber auch die Mitarbeitenden der Graf Recke Stiftung dürfte dieser Abend unvergessen bleiben. Nicht nur wegen der exklusiven Einladung bei Freigetränk und -popcorn. Sondern auch, weil sich die Protagonisten des aktuellen Kino-Durchstarters nach dem Film den Fragen der geladenen Gäste stellen und mit ihnen Selfies machen.

Doch auch für Mido Kotaini ist es ein ganz besonderer Abend: "Düsseldorf ist meine Home-City", ruft er den Gästen im Anschluss an den Film zu. Und seinen ehemaligen Begleiterinnen und Begleitern, natürlich ebenfalls an diesem Abend dabei, dankt er mit bewegenden Worten: "Ihr seid meine Ersatzeltern." Seine Kollegin Gizem Emre neben ihm verrät dem Publikum: "Mido meinte gerade, sein Herz schlägt so schnell wie in keiner anderen Stadt, weil ihr alle da seid."

Heiligabend 2016 wurde Mido Kotaini in der Inohutnahmegruppe für unbegleitete minderjährige Ausländer in der Ludwig-Beck-Straße aufgenommen, bevor der junge Syrer in der Hausgemeinschaft Mathildenstraße zog, wo er insbesondere mit Eva Kindler und Doris Appel-Hoffmann zu tun hatte.

Auch Doris Appel-Hoffmann wird nach der Vorstellung von Constantin-Geschäftsführer Thorsten Koch nach vorne geholt und erzählt von ihrer ersten Begegnung mit Mido: "Mido kam mit 15 zu uns. Ich war ganz neu in der Mathilde. Wir sind damals durch den Park gelaufen, weil du deine Schultasche vergessen hast. Und ich habe dir gesagt: Ich bin neu. Und du hast gesagt: Ich auch, ist nicht so schlimm. Wir helfen uns gegenseitig. Und das haben wir echt getan."

Du hast gesagt: Wir helfen uns gegenseitig.

Doris Appel-Hoffmann

"In den ersten Wochen ging es Mido nicht gut", erinnert sich Sabine Brosch. Mit Eintritt in die Schule und dem Wechsel in die Mathildenstraße sei es besser geworden. "Mido war immer sehr zielstrebig und zwischenzeitlich haben wir uns Sorgen darüber gemacht, wann er sich Zeit für sich und zum Entspannen nimmt."

Auch beim exklusiven Kinoabend herrscht Zeitdruck, muss die Crew doch am Abend noch zu einem weiteren Auftritt nach Leverkusen. Doch der Abend in Mido Kotainis "Home-City" zieht sich immer weiter in die Länge. Immer wieder heißt es: "Wir müssen jetzt los." Und dann machen Mido und die anderen doch noch ein Foto mit den Jugendlichen hier und erfüllen einen Autogrammwunsch dort.

Über eine Regelwohngruppe ging es für Mido in das Sozialpädagogisch Betreute Wohnen und ab 2022 in die Selbstständigkeit: "Durch seinen Schulbesuch im Düsseldorfer-Norden hat er einen Freundeskreis aufgebaut", berichtet Sabine Brosch. In der Schule nahm er an einer Theater-AG teil und ab dem Frühjahr 2020 begann bereits sein Weg als Schauspieler. "Über eine Castingagentur erhielt Mido erste Rollen in Filmproduktionen wie Almania, Tatort und Kommissarin Lukas", erzählt Brosch. Als er im September 2022 durch ein Engagement in Griechenland seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten konnte, sei die Begleitung durch die Graf Recke Stiftung zu Ende gegangen. "Ihr habt euren Job gut gemacht", sagt Mido Kotaini am Abend im Kino zu den Mitarbeitenden der Graf Recke Stiftung. "Und ich soll ganz liebe Grüße von meiner Mama ausrichten."

Mido Kotaini hat seine Begleiterinnen und Begleiter aus der Graf Recke Stiftung nicht vergessen, Kontakt gehalten und auch im Moment seines bislang größten Erfolges an sie gedacht. Ein Ehemaliger lädt zur Sondervorstellung für die Graf Recke Stiftung in den UFA-Palast – was für eine Geschichte. Doch Doris Appel-Hoffman erinnert ihren ehemaligen Schützling auch in diesem Moment an den holprigen Start: "Ich musste jede Woche in die Schule, mit deiner Lehrerin reden, weil es nicht immer gut lief. Wir haben gemeinsam Hausaufgaben gemacht, manchmal habe auch ich die gemacht", plaudert die Erzieherin aus. Und setzt hinzu" "Aber er hat sein Fachabi geschafft. Ohne mich."

Gizem Emre schwärmt beim Talk nach dem Film von ihrem Schauspielkollegen: "Mido hat das Set total bereichert, er ist eine Inspiration für uns. Wir sind alle richtig stolz auf dich." Seine langjährige Begleiterin Doris Appel-Hoffmann aber erinnert sich besonders gern an den frühen Mido: "Wenn ich dir heute einen Oscar geben würde, würde ich ihn dir nicht für den Film geben. Aber für den Bewohner der Mathildenstraße."

Allein in einem fremden Land

Schauspieler werden die wenigsten – aber wie Mido Kotaini, so haben auch andere unbegleitete minderjährige Geflüchtete auch mithilfe der Graf Recke Stiftung ihren Weg in einem neuen fremden Land gemacht. Hier einige Geschichten über unbegleitete Minderjährige, die nach ihrer Flucht bei der Graf Recke Stiftung Obhut fanden, sowie die sie begleitenden Mitarbeitenden aus früheren Jahren:

Harun, Chinonso und der Blick nach vorn (recke:in 2/2015)

Und manchmal fließen auch Tränen (recke:in 4/2015)

Alaa lässt sich nicht beirren (reckeIn 1/2017) 

Harun und Chinonso - ein Wiedersehen (recke:in 1/2018)

 

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