Peter Frey beim Neujahrsempfang der Graf Recke Stiftung: »Die Welt ist zu kompliziert für eindimensionale Antworten«
Ehemaliger ZDF-Chefredakteur hielt beim Neujahrsempfang in der Graf Recke Kirche ein flammendes Plädoyer für den liberalen Journalismus in einer offenen Gesellschaft.
»Die Zeitenwende ist auch in den Medien spürbar, sie sind sogar ein wesentlicher Bestandteil dieser neuen Ordnung.« Das sagte der ehemalige ZDF-Chefredakteur Peter Frey am Freitag beim Neujahrsempfang der Graf Recke Stiftung. Von den damit einhergehenden Verunsicherungen und Ängsten profitierten vor allem die neuen digitalen Medien: »Sie beruhen auf einem Geschäftsmodell, bei dem mit Polarisierung und Spaltung Geld verdient wird. Hass und Häme laufen gut.« Er fürchte, so Frey, dass dies den Rechtsextremen bei der Bundestagswahl noch mehr Zulauf als erwartet beschere – vor allem unter jüngeren Menschen, die auf Plattformen wie TikTok ihre politischen Informationen sammelten. »Es ist eines der politischen Versäumnisse der letzten Jahre, dass die Politik zu spät und allzu zaghaft versucht hat, die digitalen Plattformen als wesentliche neue Player der öffentlichen Meinungsbildung zu verstehen und zu regulieren«, so der renommierte TV-Journalist in seinem vielschichtigen Vortrag vor über 160 Gästen in der Graf Recke Kirche in Düsseldorf-Wittlaer. »Ich würde mir wünschen, dass dies von einer künftigen Bundesregierung mit der nötigen Priorität behandelt und die Europäische Gesetzgebung mit dem Digital Services Act weiter ausgebaut wird.«

Mit Sorge blickte Peter Frey auch auf die um sich greifende Verwendung von Begriffen wie »Fake News« und »Lügen-Presse«: »Es ist rechtspopulistischen Bewegungen überall auf der Welt und auch in Deutschland gelungen, liberalen Journalismus als einseitig zu definieren.« Doch gerade dieser Journalismus verdiene jetzt Anerkennung für die Vermittlung komplexer Fakten und unterschiedlicher Standpunkte: »Die Welt ist zu kompliziert für eindimensionale Antworten. Wir brauchen Räume, in denen auch schwierige Fragen unvoreingenommen diskutiert werden.«
Dabei seien Medien verpflichtet, allen Parteien gleiche Chancen in der Berichterstattung einzuräumen, betonte der langjährige ZDF-Hauptstadtleiter. Gleichwohl hinterfragte er, bis zu welchem Punkt Äußerungen von Parteienvertretern hinnehmbar seien. Positionen würden manchmal derart hasserfüllt vertreten, dass sie die gesellschaftlichen Grundlagen und den demokratischen Konsens gefährdeten, so Frey.
Sein Appell: »Lassen Sie uns bei allem Vereinfachungsbedarf den Respekt vor demokratischen Entscheidungsabläufen und Regeln nicht verlieren.« Es werde viel Mühe kosten, jene Bevölkerungsgruppen zurückzugewinnen, die offenbar das Zutrauen in den Staat verloren haben. »Das wird nur durch eine starke politische Mitte möglich sein, nicht dadurch, dass wir Methoden und Sprache der Populisten imitieren.« Vielmehr betonte Peter Frey in der Graf Recke Kirche: »Es wird für uns das Allerwichtigste sein, uns nicht von Angst treiben zu lassen, sondern weiter auf unsere Grundwerte, Respekt, Solidarität und Achtung vor dem demokratischen Gemeinwesen zu vertrauen.«
»Lassen Sie uns bei allem Vereinfachungsbedarf den Respekt vor demokratischen Entscheidungsabläufen und Regeln nicht verlieren.«
Zuvor hatte Ulrich Lilie, Theologischer Vorstand der Graf Recke Stiftung, seinen Akzent mit der Jahreslosung „Prüft alles und behaltet das Gute« (1. Thessalonicher 5,21) gesetzt. Er warb für die #VerständigungsOrte, die derzeit gemeinsam von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Bundesdiakonie organisiert werden, um gemeinsam ins Gespräch zu kommen, zuzuhören und auch die eigene Meinung überprüfen.
»Nichts braucht es in diesen Zeiten mehr als mutige und beherzte Menschen, die in diesem Geist der Versöhnung bereit sind, mit dem jeweils anderen ernsthaft zu prüfen, was dem Guten dient«, so Ulrich Lilie: »Überlassen wir das Gute bitte nicht den lautsprecherischen Empörungsunternehmerinnen und Untergangspropheten.«

Finanzvorstand Petra Skodzig hatte in ihrer Begrüßung noch einmal auf die Bedeutung der Veranstaltung hingewiesen: »Es ist gut, in stürmischen Zeiten Orte des Innehaltens zu haben. Unser Neujahrsempfang ist seit nun schon mehr als eineinhalb Jahrzehnten solch ein Ort und nicht nur für uns in der Graf Recke Stiftung eine wichtige Standortbestimmung.« In einen Grußwort dankte Düsseldorfs Stadtdirektor Burkhard Hintzsche der Graf Recke Stiftung für die ausgezeichnete Zusammenarbeit: »Wir haben mit Ihnen einen sehr guten, aktiven und innovativen Träger, der auch Haltung zeigt.« Der Präses des Kuratoriums der Graf Recke Stiftung, Wolfgang Nockelmann dankte dem Gastredner und dem Stadtdirektor und setzte den Schlusspunkt unter einen spannenden und stimmungsvollen Neujahrsempfang: »Lassen Sie uns auch in Zukunft mit Dialogangeboten und neuen Lösungen für eine soziale und menschenfreundliche Gesellschaft arbeiten.«
Unter den Gästen waren auch der frühere Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, die Stadtoberhäupter von Hilden und Mülheim an der Ruhr, Dr. Claus Pommer und Marc Buchholz. Musikalisch hochklassig begleitet wurde der Neujahrsempfang von Bratschistin Sindy Mohamed und Pianist Ben Kim.