Eine erhebliche Erleichterung

|

Zum 1. Juli 2025 wird in Pflegeinrichtungen verpflichtend die so genannte Telematik eingeführt. Das System soll den Datenaustausch zwischen verschiedenen Akteuren im Gesundheitswesen schneller und einfacher machen. Graf Recke Wohnen & Pflege steht laut Projektleiter Joachim Köhn schon parat. Wenn das System sich etabliert haben wird, sieht der frühere Geschäftsbereichsleiter nur Vorteile für alle Beteiligten.

In vielen Branchen wird derzeit über den revolutionären Wandel durch KI diskutiert, Künstlicher Intelligenz also. Der Pflegebereich hingegen steht insbesondere durch TI vor einschneidenden Veränderungen. TI, das steht für Telematikinfrastruktur, die einen ebenso sicheren wie schnellen Austausch von patientenrelevanten Daten unter verschiedenen Stellen sicherstellen soll. Für Marek Leczycki, Geschäftsbereichsleiter der Graf Recke Wohnen & Pflege, ergeben sich neben vorübergehenden Herausforderungen durch Telematik vor allem große Chancen. Sein Vorgänger Joachim Köhn, nach seinem Eintritt in den Ruhestand für den Geschäftsbereich weiterhin beratend tätig, hat bei der Einführung des neuen Systems die Projektleitung übernommen. 

Herr Köhn, verraten Sie uns doch bitte, was sich hinter dem Begriff Telematik verbirgt und was durch dessen Einführung in Pflegeeinrichtungen erreicht werden soll.

Der Begriff Telematik setzt sich aus dem Wort Tele von Telekommunikation und der Endung matik aus dem Wort Informatik zusammen. Und es ist schon lange der Wunsch da, die vielen verschiedenen Patientendaten, zum Beispiel Befunde, Untersuchungsberichte oder Röntgenbilder, elektronisch zusammenzuführen. Ziel ist es, dass jeder, der mit dem Patienten zu tun hat, auf dessen gesamte Akte zugreifen kann, wenn dieser zustimmt. Da dies hochsensible Daten sind, musste ein eigenes Datennetz aufgesetzt werden, was so hochverschlüsselt ist, dass es vor dem Zugriff Unbefugter maximal geschützt ist. Das ist schon seit 1994 in der Diskussion in Deutschland und die Mehrheit der europäischen Länder hat es bereits umgesetzt. 

Durch eine Gesetzesinitiative ist nun auch in Deutschland so weit?

Jetzt soll es in der Tat auch bei uns umgesetzt worden. Dafür hat die Bundesregierung die Gematik GmbH gegründet, in der neben dem Bund auch die kassenärztliche Vereinigung und die gesetzlichen Krankenversicherungen Mitgesellschafter sind, die mit der Umsetzung beauftragt sind. Die Gematik ist auch dafür verantwortlich, dass sämtliche Produkte, von der Software über die notwendigen Router bis hin zu E-Mail-Adressen, so zertifiziert sind, dass sie den Sicherheitsansprüchen genügen. Das System sollte schon zum 1. Januar 2024 eingeführt werden, hat aber auf freiwilliger Basis kaum einer gemacht. Daraufhin hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zum 1. Januar 2024 zunächst das elektronische Rezept eingeführt, damit da ein Anschub kommt, und das läuft meines Erachtens auch wirklich gut an. Zum 1. Juli 2025 müssen sich nun zudem praktisch alle Player im Gesundheitswesen an die Telematik anschließen. Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Krankenhäuser, Pflegeheime oder Rehaeinrichtungen – sie alle nehmen daran teil.

Was bedeutet das für die Pflegeinrichtungen der Graf Recke Stiftung, die Tagespflege und  den ambulanten Pflegdienst recke:mobil? 

Im Moment geht es etwa um den Austausch von Arztbriefen und Befunden. Oder, wenn wir jemanden ins Krankenhaus verlegen, können wir den Pflegeüberleitungsbogen bereits ausfüllen, während der Krankenwagen unterwegs ist. Und bis der in der Klinik ankommt, liegt der Bogen bereits vor. Das ist der erste Schritt. Ab Januar wird noch die elektronische Patientenakte dazukommen. Dann wird diese für jeden Versicherten angelegt, es sei denn, er widerspricht. Heute können sie diese bereits auf Wunsch anlegen lassen, dann läuft es andersrum. In der Folge finden dadurch erhebliche Vereinfachungen statt.

Wie sehen diese konkret für die Pflegeinrichtungen aus?

Beispielhaft: Es kommt ein Bewohner aus dem Krankenhaus zurück und ich bekomme sämtliche Unterlagen künftig per Telematik. Automatisch kann auch die Apotheke, mit der ich zusammenarbeite, auf diese Unterlagen zugreifen und sofort die notwendigen Medikamente bestellen. Darum muss sich die Pflegekraft nicht weiter kümmern. Auch Nachfragen werden dadurch vermieden. Alle Akteure arbeiten mit der einen Akte parallel und können dadurch viel Zeit gewinnen. Über das System können zum Beispiel auch Arzttermine vereinbart werden. Das heißt, ich schreibe eine so genannte KiM-Mail , was für „Kommunikation im Medizinwesen“ steht, und bekomme darüber auch die Antwort und hänge nicht mehr ewig am Telefon in der Warteschleife. 

Alle Akteure arbeiten mit der einen Akte parallel und können dadurch viel Zeit gewinnen.

Joachim Köhn, Projektleiter

In den vergangenen Jahren klagten die Fachkräfte über zunehmende Dokumentationspflichten. Durch die Telematik ist also das Gegenteil der Fall, richtig?

Genau. Wenn sie heute zum Beispiel einen vorliegenden Befund an eine andere Praxis schicken wollen, sucht die Pflegekraft zuerst den Befund aus der Akte, scannt diesen ein, wandelt ihn in eine PDF-Datei um und wenn wir Glück haben, hat der Arzt eine E-Mail-Adresse, an die wir die Datei schicken können. In Zukunft geht die Pflegekraft auf die Telematik, sucht den Befund raus, klickt diesen an und weg ist er. Das ist eine erhebliche Erleichterung. Auch Abrechnungen mit Pflegekassen laufen künftig papierlos über die Telematik. Wir sehen darin ein großes Zeitpotenzial, das sich die Fachkräfte freischaufeln können, um sich den eigentlichen, pflegerischen Dingen und den Menschen widmen zu können. 

Darum haben sich die Verantwortlichen der Graf Recke Wohnen & Pflege wohl auch entschieden, möglichst frühzeitig einzusteigen?

Wir haben bereits im November 2023 das Konzept für unser Projekt geschrieben und im Januar 2024 mit den ersten Schritten begonnen. Man muss zum Beispiel den elektronischen Heilberufeausweis beantragen, der wiederum notwendig ist, um die Zugangsberechtigung zur TI durch eine so genannte SMC-B-Karte zu bekommen. Über unseren Anbieter der Pflegedokumentation, in Zusammenarbeit mit der Telekom, wird die TI installiert und gepflegt. Aktuell warten wir auf die Kartenlesegeräte. Und wenn diese kommen, wird die TI eingerichtet und wir können loslegen. 

Für die Umsetzung der Telematik werden sicherlich entsprechende Schulungen notwendig sein.

In der Tat. Im ersten Schritt werden die examinierten Fachkräfte damit arbeiten und die Schulungsdatei ist im Prinzip schon fertig, ich brauche nur noch ein paar Screenshots von der neuen Pflegedokumentation und dann kann es mit den Schulungen in den einzelnen Wohnbereichen losgehen. Das wird eine schnelle Umsetzung, zumindest von unserer Seite. 

Das wird eine schnelle Umsetzung, zumindest von unserer Seite.

Wenn dann möglichst alle relevanten Akteure an die Telematikinfrastruktur angeschlossen sind, wird sich für die zu Pflegenden in irgendeiner Form etwas verändern?

Ja, aber das gilt für alle Versicherten. Wenn es beispielsweise die elektronische Notfallakte gibt, und sie haben einen Unfall, kann der Notarzt ihre Krankenkassenkarte nehmen und einlesen. Und dann weiß der sofort, welche Krankheiten sie haben, welche Allergien, welche Medikamente sie nehmen. Das kann natürlich lebensrettend sein in solchen Situationen. Aber was wichtig ist: Jeder Bürger hat das Recht, zu sagen, diesen einen Befund oder diese eine Diagnose darf niemand sehen. 

Was geschieht, wenn eine Bewohnerin oder ein Bewohner die elektronische Patientenakte für sich generell ablehnt?

Dann können wir per Telematik trotzdem Arztbriefe oder Befunde austauschen. Wir haben dann nur keinen Zugriff auf die kompletten Daten. Datenschutzrechtlich habe ich persönlich durch die Verschlüsselung ohnehin keinerlei Bedenken. Und ich gehe davon aus, es werden am Ende nicht viele sein, die sich gegen die elektronische Patientenakte entscheiden. 

Sie stehen der Telematik also grundsätzlich positiv gegenüber. Wie wird diese sich aus Ihrer Sicht auf das Gesundheitssystem insgesamt auswirken?

Es werden schon alleine viele unnötigen Doppeluntersuchungen vermieden werden können. Für mich als Patient hat es zudem den Vorteil, dass alle Beteiligten auf die Daten zugreifen können und der Behandlungsprozess dadurch verkürzt wird. In der Folge wird das im Gesundheitswesen insgesamt einen positiven Effekt haben. 

recke:newsletter

Was wir bewegen. Was uns bewegt: News und Storys aus der Graf Recke Stiftung.

Jetzt abonnieren