Fröhlicher Festakt mit breitem Musikspektrum und ernsten Zwischentönen
200 + 1 Jahre Graf Recke Stiftung – ein Grund zum Feiern. Entsprechend fröhlich gestaltete sich der Jubiläumsfestakt der Graf Recke Stiftung, der jetzt – pandemiebedingt – ein Jahr nach dem 200. Geburtstag nachgeholt wurde. Eingerahmt von fröhlicher Musik gab es aber auch ernste und mahnende Töne zu hören.
Zu Beginn des krönenden Abschlusses haben sie die "Hymne" des Jubiläums noch einmal gemeinsam gesungen: Dieter Falk, Marie Wegener, Lukas Linder und die Chöre der Graf Recke Stiftung intonierten gleich zu Beginn des Jubiläumsfestaktes in der Graf Recke Kirche den Jubiläumssong "Mit dem Herzen dabei".

Ein fröhlicher Auftakt zu einer Veranstaltung, bei der im Weiteren aber auch ernste und mahnende Töne zu hören waren. Dass die Feier zum 200. Geburtstag der Graf Recke Stiftung im Jahr 2022 um ein Jahr verschoben werden musste, war der Coronapandemie geschuldet. Die gilt nun als überwunden, aber neue globale Herausforderungen sind längst an ihre Stelle getreten – Herausforderungen, die eigentlich gar nicht so neu sind, wie Petra Skodzig, Vorstand der Graf Recke Stiftung, in ihrer Begrüßung erklärte: "Krieg und Klimakrise – was nach einer Schlagzeile von heute klingt, passt ebenso auf das Jahr 1816."

Die Folgen der napoleonischen Befreiungskriege: verwaiste Straßenkinder und verwüstete Landstriche. Dazu ein Vulkan im fernen Indonesien, dessen Ausbruch 1816 das weltweite Klima aus den Fugen geraten ließ. Wetterextreme, Missernten und Hungersnöte waren die Folge.
"Diese Not gesehen und die jungen Menschen unterstützt hat damals unser Stiftungsgründer. Es war eben dieses Jahr 1816, in dem er die ersten obdachlosen Kinder und Jugendlichen aufnahm, bevor er 1822 mit einem Großteil der wachsenden Zahl seiner Schützlinge nach Düsselthal umzog – die Geburtsstunde der Graf Recke Stiftung", blickte Petra Skodzig zurück.
Um dann den Bogen zu schlagen zu den heutigen Herausforderungen: "In diesen Tagen der Zeitenwende ist ein solches soziales Engagement wichtiger denn je. Wir hoffen und setzen uns vehement dafür ein, dass Staat und Gesellschaft das auch erkennen und anerkennen. Auch die sozialen Unternehmen im Land benötigen die Unterstützung, die schon an anderen Stellen fließt und als ,Doppel-Wumms' ebenso Einzug in die Geschichtsbücher gefunden hat wie die am gleichen Orte beschworene Zeitenwende", führte Stiftungsvorstand Skodzig aus, die anschließend mit sehr persönlichen und wertschätzenden Worten an ihren ehemaligen Vorstandskollegen und heutigen Diakoniepräsidenten Ulrich Lilie übergab.

Der ehemalige Vorstand der Graf Recke Stiftung griff den Bogen seiner früheren Kollegin auf und würdigte das Engagement des Grafen von der Recke, der seiner Zeit voraus gewesen sei, und der anderen Pioniere der Diakonie, namentlich natürlich auch Johann Hinrich Wichern, der mit seiner "Stehgreifrede" auf dem Kirchentag zu Wittenberg 1848 als Gründer der Diakonie gilt, die dieses Jahr 175-Jähriges feiert. "Was damals galt, gilt heute nicht minder", betonte der Diakoniepräsident. "So wie ein Graf von der Recke, die Fliedners, die Wicherns dieser Zeit damals auf die Not und die gesellschaftlichen Herausforderungen reagierten, braucht es auch heute zeitgemäße Antworten auf die aktuellen sozialen Herausforderungen." Die Arbeit der diakonischen Träger sei "kein x-beliebiges Geschäftsfeld, wo renditeorientierte Felder geöffnet und geschlossen werden", so Lilie, sondern hier gehe es "um den Kern unserer menschlichen Bestimmungen", bei der das Ziel bei aller Wirtschaftlichkeit "immer wieder durchscheinen muss: Liebe und Nähe" – gemäß dem Diakonie-Jubiläumsmotto: #ausLiebe.
Die Bedarfe seien "nahezu unendlich", so Ulrich Lilie, und es gelte "klug zu priorisieren, um die vorhandenen Mittel möglichst intelligent und ressourcensparend einzusetzen". Und direkt an den Düsseldorfer Oberbürgermeister gewandt, derzeit auch mit der Graf Recke Stiftung in harten Verhandlungen: "Dabei kommt Ihnen eine Schlüsselrolle zu."

Der so angesprochene Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller, nach 2021 das zweite Mal zu Gast bei einem Empfang in der Graf Recke Kirche, verzichtete erwartungsgemäß auf konkrete Antworten, sparte aber nicht an Gratulation, Lob und Wertschätzung: "200 Jahre bewirkt die Stiftung nun schon Gutes in unserer Stadt. 200 Jahre plus eins sind es genaugenommen bereits und das zeigt, dass diese Erfolgsgeschichte weitergeht. Und ich hoffe, dass es noch einmal mindestens 200 Jahre werden." Stiftung und Diakonie würden "in der modernen Großstadt mindestens ebenso gebraucht wie im Düsseldorf des Jahres 1822." Die Graf Recke Stiftung sei "eine wichtige Akteurin im sozialen Leben unserer Stadt. Zugleich ist sie eine bedeutende und verlässliche Partnerin der Stadt."

Was eine solche soziale Partnerin in einer Stadt bewirken kann, darauf ging Dr. Stephan Kellers Hildener Amtskollege Dr. Claus Pommer ein. Er erinnerte an die Übernahme des Dorotheenheims e. V. kurz vor einer Insolvenz vor 20 Jahren. "Insgesamt übernahm die Graf Recke Stiftung in Hilden 310 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nicht nur für die Mitarbeitenden wäre eine Schließung ein schwerer Schlag gewesen – vor allem hätte der Verlust der damals 351 Einrichtungsplätze einen herben Verlust für die Menschen bedeutet, die auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Danke, dass sie damals da waren und Verantwortung übernommen haben." Dabei seien damals bereits erhebliche Sanierungsmaßnahmen notwendig gewesen seien, erinnert Bürgermeister Pommer weiter – auch für eine gemeinnützige Stiftung, die kostendeckend arbeiten müsse, eine große Herausforderung. Mit Blick auf das aktuelle Leuchtturmprojekt Ahorn-Karree für Menschen mit einer schweren Demenz betonte Bürgermeister Pommer: "Wir in Hilden sind mächtig stolz, diesem Projekt in unserer Stadt eine Heimat geben zu können." Die Stiftung nannte er einen "verlässlichen Partner, der christliche Normen und Werte aufrechterhält. Unsere Zusammenarbeit verläuft reibungslos, unser Miteinander ist stets geprägt von Offenheit und Nähe. Dafür danke ich Ihnen ganz herzlich."
Weitere Grußworte gab es anschließend per Videobotschaft von Menschen aus der Graf Recke Stiftung: Klientinnen und Klienten, Bewohnerinnen und Bewohner und Angehörige gaben der Jubilarin ihre guten Wünsche mit auf den Weg.

Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung – neben dem Chor mit Dieter Falk – von Ben Kim. Der international renommierte Pianist war bereits mehrfach zu Gast in der Graf Recke Kirche, in diesem Jahr erstmals in der zum Forum für Begegnung & Kultur umgebauten Kirche, dessen Optik und Akustik auch den Pianisten überzeugten.

Abschließend nahm der Präses des Kuratoriums der Graf Recke Stiftung, Dr. Wolfgang Nockelmann, noch einmal den Gedanken vom Anfang auf: "Die Graf Recke Stiftung hat schon so vieles überstanden. Gott sei Dank. Mit den guten Wünschen für die nächsten 200 Jahre, die wir gehört haben, und vor allem dem hochengagierten und kompetenten Tun unserer Mitarbeitenden bin ich sehr zuversichtlich, dass die Stiftung auch weiterhin allen Widrigkeiten trotzen kann und wird." Das diakonische Wertefundament ihres Gründers dürfe dabei bei allem wirtschaftlichen Druck "nicht in die Ecke gestellt werden".
Nach dem Segen durch Pfarrer Dietmar Redeker und dem finalen Einspieler des Jubiläumssongs per Video schloss der offizielle Teil und ging der Festakt über zu informellen Gesprächen am Buffet.