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Im Juni hat Angela Paardekooper ihre Ausbildung zur Beiköchin erfolgreich abgeschlossen, seit Juli hat sie eine Festanstellung in einem Düsseldorfer Supermarkt. Beides keine Selbstverständlichkeit für die 42-Jährige, die vor Jahren psychisch schwer erkrankte. Doch die Düsseldorferin hat sich mit Talent, Engagement und Disziplin sowie der Unterstützung der Arbeitstherapie der Graf Recke Stiftung auf den ersten Arbeitsmarkt durchgekämpft.

Wenn sie Frühdienst hat, endet für Angela Paardekooper die Nacht gegen halb vier. Dann macht sie sie sich mit der Straßenbahn auf den gut einstündigen Weg zur Arbeit. Wenn die 42-Jährige nach Feierabend dieselbe Strecke zurückfährt, tun ihr manchmal die Füße weh. Und doch könnte sie beruflich kaum glücklicher sein: „Ich liebe meine Arbeit“, sagt sie mit Überzeugung. „Ich freue mich jeden Tag darauf.“ Denn ihr Job ist für sie vor allem ein Glücksfall, den sie sich über viele Jahre hart erkämpft hat. Es ist ein weiterer Schritt in ein selbstbestimmtes Leben.

Gemeinsam mit anderen ist sie seit Juli als Beiköchin für die „Heiße Theke“ in einem Supermarkt im Düsseldorfer Stadtteil Reisholz zuständig. Die Aufgabe ist nicht ohne: Da werden in großen Mengen Reibekuchen gebacken und Schnitzel paniert, gehen allein 400 bis 500 Frikadellen pro Tag über die Theke, die zuvor geknetet, geformt und zubereitet werden, erzählt Angela Paardekooper. Hinzu kommt regelmäßiger Kundenkontakt. Das alles zusammen sei schon anstrengend, gibt sie zu. Aber die Bewältigung der Aufgaben und auch die notwendige Schnelligkeit, das klappe immer besser. Sie strahlt.

Wer verstehen will, was es für Angela Paardekooper bedeutet, einen regulären Vollzeitjob zu meistern, muss ihre Geschichte kennen: Mit 25 Jahren schwer psychisch erkrankt, verbrachte sie in der Folge viel Zeit in der Klinik, bevor sie 2009 ins betreute Wohnen der Graf Recke Stiftung wechselte. Am Sozialpsychiatrischen Zentrum der Graf Recke Sozialpsychiatrie & Heilpädagogik an der Grafenberger Allee hatte sie zunächst eine Ergotherapie begonnen, „aber daran nicht so das Interesse, ich musste irgendwas arbeiten.“ Die anschließende Arbeitstherapie war daher viel mehr ihr Ding. So war sie zunächst in der Wäscherei beschäftigt und später für sechs Jahre im heutigen Café Geistesblitz.

Wille und Engagement

Was damals bereits auffiel, waren ihr Wille und ihr Engagement, trotz Erkrankung. Sie habe am Ende sieben Stunden hinter der Theke gestanden, die doppelte Zeit einer normalen Arbeitstherapie, erzählt Angela Paardekooper. „Ich wollte ausprobieren, ob ich für den ersten Arbeitsmarkt tauglich bin.“ Und das gelang: 2019 wechselte sie in die Großküche direkt nebenan – und beeindruckte die dortigen Küchenchefs: „Ich habe ihren Einsatz bemerkt, das sieht man wirklich selten“, erinnert sich Thomas Samstag, hat er doch über Jahrzehnte Menschen mit psychischen Erkrankungen in seinem Team erlebt und begleitet.

Und so war es für ihn und seinen mittlerweile in Ruhestand gegangenen Kollegen Achim Blaha damals gar keine Frage, dass sie Angela Paardekooper in ihrem größten Wunsch unterstützen werden: mit Ende dreißig eine Ausbildung zur Beiköchin zu beginnen. „Wir waren uns beide von Anfang an einig: Da ist Potenzial, sie wird ihren Weg gehen“, sagt Thomas Samstag. Das kann Marcel Steffens bestätigen, der im Sommer 2022 die Nachfolge von Achim Blaha antrat und dem aus dem gemeinsamen Jahr eine Besonderheit in Erinnerung blieb: „Sie hat auch die Arbeiten übernommen, die andere eher scheuen, die Fritteuse sauber machen zum Beispiel“, meint er schmunzelnd – und schaut anerkennend zu Angela Paardekooper hinüber.

Die Beiköchin ist an diesem Nachmittag zu Besuch an ihrer früheren Wirkungsstätte und hat für ihre früheren Ausbilder ebenfalls nur lobende Worte übrig: Alle drei hätten sie bei allem unterstützt, dafür sei sie „so, so dankbar“, sagt sie. Erst neulich habe sie wieder Flammkuchen mit Feigen und Apfelspalten gemacht, was sie hier gelernt habe. „Ich habe aus der Zeit ganz viel mitgenommen“, sagt Angela Paardekooper. „Nicht nur Rezepte und das handwerkliche Geschick. Auch, wie man die Arbeit angeht.“

recke:in 3/2024 zum Thema

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Aufgeregt bei der Prüfung

Und so hat die gebürtige Düsseldorferin auf dem Weg zur „Fachpraktikantin Küche“, wie ihr Berufsbild mittlerweile offiziell heißt, alle Hürden mit Bravour genommen, gehörte in der Berufsschule regelmäßig zu den Besten. Keine Frage, dass sie ihre Prüfung im Juni ebenfalls bestand, mit den Noten war sie allerdings nicht ganz zufrieden. Sie sei beim praktischen Teil aufgeregt gewesen, normalerweise „gar nicht ihre Art“, wie Thomas Samstag anmerkt. Und so gelang der Rotbarsch mit Broccoli als Hauptgang noch einwandfrei, der Pfannkuchen mit Rhabarber-Erdbeer-Kompott als Nachspeise hingegen war „lecker, aber leider kalt“, wie sie einräumt. „Dabei haben wir Pfannkuchen vorher extra noch geübt.“ Sie zuckt die Schultern.

Diese kleine Enttäuschung hat Angela Paardekooper aber längst abgehakt, ihr Blick ging schnell wieder nach vorn. Zu Recht, wie Thomas Samstag meint, er sei „richtig stolz auf sie“. In der praktischen Arbeit sei sie stets ruhig, immer konzentriert und eine Bereicherung für jede Küche. Marcel Steffens hat die 42-Jährige vor allem als ideenreich und kreativ erlebt, dazu immer zuvorkommend. „Ich bin froh, sie kennengelernt zu haben und sie auf einem Teil ihrer Reise begleitet zu haben“. Dass diese sie aus der Küche an der Grafenberger Allee wegführen wird, war von Anfang an klar. Eine Planstelle für eine Beiköchin gebe es leider keine, man sei ein reiner Ausbildungsbetrieb, erklärt Küchenchef Samstag. Dass es jedoch so schnell mit der Anstellung als Beiköchin im Supermarkt geklappt hat, machte den Abschied für alle Beteiligten leichter.

Die Stelle habe sie im Internet entdeckt und gedacht: „Das isses.“ Nach dem Bewerbungsschreiben, berichtet Angela Paardekooper, ging alles ganz schnell: Vorstellunggespräch, Probearbeit, Arbeitsvertrag. „Ich hatte gerade mal zwei Wochen zwischen Prüfung und Job.“ Dass der Schritt richtig war, daran hatte sie allerdings zu keinem Zeitpunkt Zweifel. Und selbst das frühe Aufstehen nimmt sie dafür gerne in Kauf.

„Auf einen Kollegen im Frühdienst freue ich mich immer, weil die Zusammenarbeit so gut klappt“, berichtet sie. Tatsächlich falle dann auch die Hauptarbeit an. Bevor überhaupt die ersten Kunden den Supermarkt betreten, gibt es viel vorzubereiten. Doch auch die Nachmittagsschicht hat für sie ihren Reiz, sagt Angela Paardekooper, weil sie dann in der Regel die alleinige Verantwortung trage. Stress gebe es ja überall, findet sie. „Aber der geht in der Routine unter.“ Klar, es gebe auch mal Leute, die sich über etwas beschweren, das müsse man aushalten und freundlich bleiben. „Aber wir haben vor allem viel Stammkundschaft. Manche kaufen ihre Haxen nur bei uns, weil sie die ganz toll finden.“

Auf einen Kollegen im Frühdienst freue ich mich immer, weil die Zusammenarbeit so gut klappt.

Angela Paardekooper

Ähnlich gut kommt die neue Kollegin offenbar auch im Supermarkt-Team an. „Wir lieben dich, du bleibst“, habe eine Vorgesetzte in einem Feedback-Gespräch kurz vor Ende der Probezeit zu ihr gesagt. „Das hat ich mich schon gefreut“, meint Angela Paardekooper mit einem leicht verlegenen Lächeln. Keine Frage, dass sie gerne auch an ihre Zeit in der Küche bei der Graf Recke Stiftung zurückdenkt, auch immer wieder gerne vorbeikommt. „Es war eine tolle Zeit. Das hat ganz viel mit den Leuten hier zu tun“, sagt sie. Aber nun ist sie eben noch einen Schritt weiter.

Eigene Wohnung das nächste Ziel

Nun verdiene sie ihr eigenes Geld, betont Angela Paardekooper, könne sich auch mal etwas leisten, und seien es, wie zuletzt, ein Paar Bluetooth-Lautsprecher. Aus dem betreuten Wohnen in eine eigene Wohnung zu ziehen, das ist ihr nächstes großes Ziel. Ach ja, und den Roller-Führerschein zu machen. „Ich habe schon immer von einem Roller geträumt, das ist cool“, schwärmt sie. Die Zeit des Bahnfahrens wäre dann vorbei, und morgens eine halbe Stunde länger schlafen könnte sie auch.

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