Schnell Kontakt geknüpft
Die vertrauten eigenen vier Wände oder das neue Apartment im Quartier, die Pflegeeinrichtung oder die Senioren-WG – was Menschen sich für ihr Leben im Alter wünschen, ist höchst individuell. Gut, wenn die Entscheidung rechtzeitig und selbstbestimmt erfolgt. Wie bei Antonius Stam, der uns bei sich zu Hause empfangen hat.
Selbstständigkeit war für Antonius Stam immer ein wichtiges Gut. Der frühere Landesbedienstete genoss sein Leben auf einem größeren Anwesen im Düsseldorfer Norden, gar keine Frage. Und doch hat er dieses mittlerweile vollständig seinem Sohn und dessen Familie überlassen – und gegen ein Zimmer im Seniorenzentrum Zum Königshof der Graf Recke Stiftung in Unterrath eingetauscht. »Das Essen selber machen, das Spülen, auch die Wäsche, das fiel mir immer schwerer«, begründet er seinen Entschluss. Dass andere sich für ihn darum kümmern, hat ihm eine neue Art der Freiheit beschert. Geleistet hat der 89-Jährige in seinem Leben ohnehin genug.
Das betrifft nicht allein seine Arbeit, unter anderem als Banker bei der West LB. Nach seinem Ruhestand hatte Antonius Stam, unterstützt von einem mobilen Pflegedienst, fast zehn Jahre lang seine zweite Frau gepflegt, nachdem dieser ein künstlicher Darmausgang gelegt werden musste. Nach zwei Unfällen, der eine während eines Klinikaufenthalts, der zweite just an ihrem Geburtstag im Januar 2023, sei ihr ein Umzug in ein Pflegeheim nahegelegt worden, berichtet Stam. Und so sei seine Frau zunächst allein in den Königshof gezogen. »Sie hat sich aber schnell wieder erholt, sodass sie mich auch wieder zu Hause besuchen konnte«, erinnert er sich. »Wir haben die Wochenenden zusammen verbracht und auch zusammen Weihnachten gefeiert.«
Und doch war das Ehepaar die ständigen Trennungen dazwischen irgendwann leid. Nach 25 gemeinsamen Jahren »hatten wir den Drang, zusammen zu sein«, sagt er. »Und dann trafen wir die Entscheidung, im Königshof in ein gemeinsames Apartment zu ziehen.« Im Juni 2024 war es so weit. Es war die richtige Entscheidung, das weiß er heute. Denn so verbrachte das Paar noch einige glückliche Monate miteinander, bevor es seiner Partnerin ab dem Herbst wieder schlechter ging, sich Klinikaufenthalt an Klinikaufenthalt reihte und sie darüber ihren Lebensmut verlor. Antonius Stam wird plötzlich leise: »Am 12. Januar ist sie 88 geworden, drei Tage später ist sie gestorben«, sagt er dann.

Vieles noch selbst in der Hand
Doch der 89-Jährige hat seinen Frieden gemacht. »Es ist für mich in Ordnung, dass sie gehen durfte«, meint der Witwer. Sicherlich gebe es Momente, in denen er traurig sei. »Aber ich komme ansonsten gut damit zurecht.« Auch mit dem Alleinsein. In seiner Situation helfe es ihm, dass er im Haus schnell Kontakte geknüpft habe. Beim Essen oder Kaffeetrinken finde man »immer einen zum Schnabbeln«, wie er es ausdrückt. Er denkt dabei an eine Bekannte, die sich vor seinem Einzug um seine Frau gekümmert hat, oder an seinen Tischnachbarn. »Ein Kumpel«, wie er sagt. »Er kennt meine Macken. Und ich kenne seine.«
An einen erneuten Umzug, zurück nach Hause, habe er keinen Moment gedacht. Klar, das Essen schmecke ihm nicht jeden Tag gleich, räumt Antonius Stam ein. Doch man wisse sich zu helfen, unter den Bewohnerinnen und Bewohnern blühe ein reger Tauschhandel, berichtet er mit einem Schmunzeln: Marmelade gegen Quark, Blutwurst gegen Käse. »Wenn die Leute sich verstehen, ist das alles keine Sache.« Manche Spezialität lässt er sich von seinem Sohn mitbringen, der regelmäßig vorbeischaut. Kleidung oder Schuhe bestellt er gleich selbst über sein Notebook, an dem er sich mit Spielen gerne die Zeit vertreibt.
Er betrachte sich keinesfalls als abgeschoben und fühle sich im Königshof sehr wohl, wie Antonius Stam betont. Das liege nicht zuletzt an der Leitung des Hauses und der Fürsorge des Personals. Das vermittle er auch seinen insgesamt vier Kindern, »das nimmt ihnen auch eine Last«. Denn vieles habe er noch selbst in der Hand, das ist ihm wichtig. Er, der einst Leiter eines Duisburger Bowlingvereins war und mit 65 Jahren noch Landesliga gespielt hat, hält sich beim Sportangebot im Haus beispielsweise eher zurück. »Ich turne morgens im Bett rum, wenn mir die Strümpfe angezogen werden«, stellt er klar. Er allein entscheide, was er anziehe, welche Musik er höre, was er esse. Vorausgesetzt freilich, er war beim Tauschen erfolgreich.
Ich turne morgens im Bett rum, wenn mir die Strümpfe angezogen werden.