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Die vertrauten eigenen vier Wände oder das neue Apartment im Quartier, die Pflegeeinrichtung oder die Senioren-WG – was Menschen sich für ihr Leben im Alter wünschen, ist höchst individuell. Gut, wenn die Entscheidung rechtzeitig und selbstbestimmt erfolgt. Wie bei Anneliese Tauras, die uns bei sich zu Hause empfangen hat.

Anneliese Tauras hat sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht. 50 Jahre lang hatte sie im westfälischen Münster gelebt, nach dem frühen Tod ihres Mannes mehr als 30 Jahre davon allein. »Ich war immer selbstständig, war viel unterwegs«, sagt sie. Schließlich aber folgte sie 2022 dann dem vielfach geäußerten Wunsch ihres Sohnes, doch besser in seine Nähe zu ziehen. Im Alter von 85 Jahren gab sie sich tatsächlich einen Ruck und verlegte ihr Leben rund 350 Kilometer weiter in den Norden. Das damals neu eröffnete Graf Recke Quartier Neumünster hatte sie überzeugt und tut es bis heute.

Anneliese Tauras ist mittlerweile 89 Jahre alt, lebt im »Wohnen mit Service« als Mieterin in ihrem eigenen Apartment. Bei der ersten Besichtigung sei es noch eine einzige Baustelle gewesen, erinnert sie sich. Und doch hatte sie gleich erkannt, dass dies ihr neuer Lebensmittelpunkt werden könnte. Zu Recht wohl: »Es ist jetzt viel grüner«, berichtet sie. Es sei eine sehr helle Wohnung, ganz oben. »Ich genieße vom Balkon aus die Sonnenuntergänge.« Und auch wenn sie die möglichen Unterstützungsleistungen derzeit kaum in Anspruch nimmt, hat sie deren Vorteile bereits erfahren: Die Seniorin hatte sich im vorigen Sommer den Arm gebrochen und vorübergehend im Haushalt und bei der Körperpflege unkompliziert Hilfe durch den quartierseigenen Pflegedienst bekommen. »In Münster hätte ich da ein Problem gehabt.«

Und so bereut Anneliese Tauras keinen Tag die Mühe des Umzugs vor drei Jahren. »Das war ein bisschen schwierig, aber mein Sohn und seine Freunde haben mich unterstützt«, berichtet sie. Ihr Sohn Olaf ist kein Unbekannter in Neumünster, von 2009 bis 2021 war er Oberbürgermeister der Stadt. Für seine Mutter war es zudem eine Art Nach-Hause-Kommen: Sie stammt aus Schleswig-Holstein, ist in Bad Oldesloe geboren. Eingewöhnungsprobleme hatte sie daher keine, auch Heimweh verspürte sie nicht. »Wenn man 85 ist, leben viele Freunde nicht mehr«, gibt sie zu bedenken.

Umzug mit Porzellanpuppen

Und doch war es auch eine Umstellung. 80 Quadratmeter maß ihre frühere Wohnung, jetzt sind es noch knapp 50. Das sei schon ein Unterschied, man müsse sich bescheiden. Vieles hat sie weggegeben oder verschenkt. »Manches vermisse ich auch«, räumt sie offen ein. »Aber: Ich habe mich entschieden und dann ist es jetzt so.« Ihre Porzellanpuppen allerdings fanden auch im neuen Zuhause einen Ehrenplatz, direkt vor dem Balkon. Aus gutem Grund: Sie hat alle Puppen selbst gemacht, als gelernte Schneiderin auch die Kleider genäht. Es sei ein schönes, aber auch zeitaufwändiges Hobby gewesen, erinnert sie sich. Rund 50 Arbeitsstunden stecken in jeder einzelnen Puppe.

Heute verbringt Anneliese Tauras ihre Zeit mit anderen Dingen, die ihr das Quartier bietet. Einmal in der Woche besucht sie beispielsweise den Spielenachmittag im Gemeinschaftsraum, einmal im Monat sei Bingo. »Es ist wichtig, dass man Gesellschaft hat«, findet sie. Auf das gemeinsame Essen dort verzichtet sie dennoch bewusst, koche für sich selber, solange es geht. »Ich hatte in jüngeren Jahren gesundheitlich Probleme, aber jetzt ist alles in Ordnung«, freut sich die 89-Jährige. »Ich wollte rechtzeitig vorsorgen und nicht warten, bis ich ein Pflegefall bin.«

Es ist wichtig, dass man Gesellschaft hat

Anneliese Tauras

Davon aber kann bei Anneliese Tauras keine Rede sein. Seit ihr Arm verheilt ist, macht sie ihre Besorgungen wieder mit dem eigenen Auto, am Wochenende fährt sie damit schon mal ins Grüne. Zwei Nachbarinnen, mit denen sie sich angefreundet hat, seien da gerne mit dabei. »Und erst gestern saßen wir zusammen auf meinem Balkon.« Dabei wurde ihr mal wieder die möglicherweise größte Veränderung zu ihrem früheren Leben bewusst. »Ich habe in Münster immer Doppelkopf gespielt, das kennt hier im Norden aber keiner«, meint sie mit einem Lachen. Doch sie sieht das pragmatisch, jetzt spielt sie eben Rommé.

Leben im Alter

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